Dreizehnte Generation: der Minister in London Enkel Johann Friedrichs II. : Johann Friedrich Carl I. (W.210)
| Johann Friedrich Carl I. v. Alvensleben (1714-1795) |
Seit 1773 gehörte Calbe mit seinen immer noch bedeutenden Zubehörungen, soweit sie nicht den abgespaltenen Gütern zugeschlagen waren, darunter Bismark und Plathe, dem Großbritannischen Staatsminister Johann Friedrich Carl I. (1714–1795), Chef der „deutschen Kanzlei“, die die Angelegenheiten des Kurfürstentums Hannover bearbeitete, in London.
Der spätere preußische Staatskanzler Fürst Hardenberg, Enkel der Adelheid v. Alvensleben a. d. H. Calbe, hatte den Ehrgeiz, Nachfolger des Ministers v. Alvensleben in London zu werden, fand aber dessen Wohlwollen nicht und scheiterte dort schließlich an einem Skandal, dessen Urheber der spätere König Georg IV. war, die Ursache seines Übertritts aus englischen in preußische Dienste.
Der bedeutende Lehnsbesitz des Ministers Johann Friedrich Carl umfasste außer Calbe die wertvollen Güter Neugattersleben Alte Seite, Glöthe, Randau, Schermen, Möser, Woltersdorf, Badingen sowie die „Kislebenschen Zehnten“ in Groß Heiligendorf, Ahmsdorf und Rennau im Amte Fallersleben, die ihm König Georg III. von England nach dem Aussterben der Kisleben verliehen hatte. 1780 löste er den Klosterhof Badingen wieder ein, der ein Jahrhundert lang der Familie v. Retzdoff verpfändet gewesen war.
Der Minister ließ Calbe durch Amtsleute verwalten, kam selten auf seine Güter, wohnte dann gewöhnlich in Randau oder Neugattersleben und starb unvermählt mit 81 Jahren auf seinen Landsitz Ham Common bei London. Seine Güter fielen den Söhnen seines Bruders Gebhard August II. (W.211, 1719–1779), Hannoverschen Geheimen Rates auf Hundisburg und Neugattersleben zu, dem zwei Gemahlinnen 25 Kinder gebaren und der von den Calbeschen Gütern nur Groß Engersen besaß. Dessen Sohn, Carl Wilhelm Ludwig, gelangte in den Alleinbesitz der Herrschaft und wurde der Begründer des neuen Hauses Calbe.
Vom Jahre 1781 besitzen wir eine Schilderung von Calbe aus der Feder des preußischen Diplomaten und späteren Staatsministers Grafen Philipp Carl v. Alvensleben, niedergelegt in einem der handschriftlichen Bände seiner „Lettres familieres“ in der Lehnsbibliothek zu Erxleben. Philipp Carl war der Brudersohn des Ministers Johann Friedrich Carl. Der in der empfindsamen Betrachtungsweise des ausgehenden 18. Jahrhunderts gehaltene französische Bericht lautet übersetzt:
„Das Schloss Calbe muss ein stolzes Bauwerk gewesen sein. Man passiert eine Zugbrücke, vier sehr große Tore, die Trümmer eines zusammengestürzten Turmes, mit Moos und Efeu überwucherte Ruinen, eine Kapelle und Gebäude, nur noch durch Spuren ihrer einstigen Bestimmung, Fenster und Inschriften, gekennzeichnet. Dieser Anblick erfüllte mich mit heiligem Schrecken. Auch spürte ich die innere Freude, die uns ergreift, wenn wir bewundern dürfen. Die herrlichste Aussicht entfaltete sich vor unseren Blicken, ein Wiesenland, umgeben von Wäldern und Hügeln, auf der anderen Seite die von der Milde umströmte Stadt“.
Über den Besitzstand der Gesamtherrschaft Calbe, zu der allerdings Zichtau, Berge, Schenkenhort und Vienau mit ihren Zubehörungen noch hinzugerechnet werden, unterrichtet im Jahre 1751 Beckmann in seiner Geschichte Kurbrandenburgs. Er nennt 73 Ortschaften, die entweder ganz oder zum Teil zur Herrschaft gehörten, darunter verafterlehnte Güter und einzelne Wüstungen.
Das Geschlecht verfügte damals im Wesentlichen noch über seinen ganzen mittelalterlichen Besitz. Bis auf die Teile von Calbe, die mit dem Großen Vorwerk an die v. Lüderitz vererbt wurden, blieb dieser Gesamtbestand bis zu den Stein-Hardenbergschen Reformen erhalten.
Es sind die Städte Calbe und Bismark, ferner Plathe, Bühne, Güssefeld, Vietzen, Kahrstedt, Brunau, Beese, Mehrin, Dolchau, Vienau, Altmersleben, Vahrholz, Jeetze, Packebusch, Hagenau, Kremkau, Badel, Zethlingen, Groß Engersen, Klein Engersen, Estedt, Schenkenhorst, Berge, Brüchau, Faulenhorst, Cheinitz, Solpke, Jerchel, Peckfitz, Dannefeld, ferner Zichtau und Mieste, Miesterhorst, Sichau, Potzehne, Verchen, Nickleben, Mellin, Kogendorf, Dremitz, Platin, Linau, Siepe, Zierau, Jeggeleben, Callene, Velgau, Lüge, Gerlipp, Berkau, Moellenbeck, Algenstedt, Butterhorst, Hemstedt, Neuendorf am Damm, Carritz, Moellendorf, Roxförde, Wannefeld, Wernstedt, Rengerslage, Rademin, Bertkow, Hohenwulsch, Poritz, Doellnitz, Schartau, Molitz, Goelitz, Thüritz, Storbeck und Windberge.
Der Wert dieser „Pertinenzien“ und die Höhe der „Intraden“ waren sehr verschieden. Die Dörfer „im Lande Salzwedel und dem Calbeschen Werder“ waren die reicheren, jene in den Heidegegenden ärmer.
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