Geschichten über Kalbe Milde
 

 



 
Elfte Generation: Barockzeit

Erben Ludolf Burchards II und Gebhard XXVI. : Johann Friedrich II. (W.168), Ludolf XVII. (W.166), Gebhard Johann II. (W. 162)
Söhne Joachim Werners II.: Joachim Ludolf (W.170), Bodo Dietrich (W. 174)
Sohn Bussos XIV.: Georg Dietrich I. (W.180)

Johann Friedrich II. v. Alvensleben (1657-1728)

In dieser Gereration wurde Calbe selbst kaum noch bewohnt. Das wichtigste Ereignis war die Ablösung der Asseburgschen Pfandschaft, die auf einem bedeutenden Anteil von Calbe fast während des ganzen 17. Jahrhundert geruht hatte, zum Schaden der einheitlichen Verwaltung des Ganzen, obwohl man mit den verwandten Asseburgs wohl meistens in Güte ausgekommen war, im Jahre 1699. Berge und Schenkenhorst fielen davon an die Häuser Zichtau Alte und Neue Seite, die sich damals in den Händen Levin Ludolfs II, Johann Friedrichs, Busses XIV. und Achaz IV. befanden, Vienau und Kahrstedt an Gebhard Johann II. auf Erxleben. Das Asseburgische Vorwerk in Calbe übernahm Johann Friedrich II. auf Hundisburg und verpfändete es 1700 an seinen Schwiegersohn Johann August I. auf Erxleben, Kgl. Preuß. Kammerherr, den Sohn Gebhard Johanns II. Die Häuser blieben oder wurden nun Wohnsitze.

Die Herrschaft Calbe bildete weiter gemeinsames Interessengebiet aller Linien der Schwarzen Alvensleben, so sehr sich auch die Bewirtschaftung dezentralisierte.

Die führende Persönlichkeit unter den Herren von Calbe dieser Epoche war der Minister Johann Friedrich II. (1657–1728), dessen Leben mit der Geschichte der Schlösser Neugatterleben und Hundisburg verknüpft ist. Als Ururenkel Ludolfs X., des Magdeburgischen Hofmeisters, und Sohn Gebhards XXV., des Gelehrten, gehörte er einer Hauptlinie des Geschlechts an, die bis auf die Gegenwart fortlaufend ausgezeichnete Männer hervor gebracht hat.

Als vertrauter Ratgeber Herzogs Anton Ulrichs von Braunschweig, als Geheimer Rat Friedrichs I. von Preußen und Minister Georgs I. von England und als außerordentlicher Gesandter dieser Mächte bildete seine Person und das von ihm mit außergewöhnlicher Pracht ausgebaute Schloss Hundisburg einen „Mittelpunkt der zwischen diesen Höfen vorfallenden Mitteilungen“. Er sah die Monarchen als Gäste bei sich auf den Schlössern und Stadthäusern in Hannover, Braunschweig und Magdeburg. Seine Briefe an Leibniz sind Dokumente seines umfassenden Geistes, der sich auch in Sammlungen von Kunstwerken und Büchern, und der Schöpfung prächtiger Gartenanlagen ein Denkmal setzte.

Später setzte sich der Minister in Gegensatz zu König Friedrich Wilhelm I. Es kam soweit, dass die Preußische Regierung das Eingreifen eines Reichsheeres zu Gunsten von Rechtsansprüchen, die der Minister verfocht, befürchten musste, zu dem es allerdings nicht kam.

Der Kirche zu Bismark stiftete er eine Glocke, die 1914 nach Beginn des ersten Weltkrieges als erste eingeschmolzen wurde, weil auf ihrer Inschrift von einem „Magna de Britannia consiliario secreto“ (= Großbritannischen Geheimen Rat) die Rede war, und mit Britannien wollte man nichts mehr zu tun haben. Die Einkünfte von Calbe und Rogätz bildeten eine Grundlage der außerordentlichen Finanzkraft dieses genialen Mannes, dessen Lebenshaltung das Aufsehen der Höfe hervorrief. Am nächsten kam dem Hundisburger Minister sein Schwager Gebhard Johann II. auf Erxleben, Gemahl seiner Schwester Augusta Christine, der 1700 starb. Dieser kraftvolle, energische Mann, der „Große Kurfürst seines Geschlechts“, hat seine Besitzungen nach dem großen Krieg wieder zu hoher Blüte gebracht, die Bauten und Gärten in Erxleben durch Werke der Barockkunst bereicherte und in glänzenden Familienbindungen gelebt, hochverdient um die Verwaltung des Herzogtums Magdeburg. Vienau und Kahrstedt fielen an seinen ältesten Sohn, Gebhard XXVII. auf Eichenbarleben, und blieben bei dessen Stamm. Sein jüngerer Sohn, Johann August I. auf Erxleben und Uhrsleben, dem sein Schwiegervater, der Minister Johann Friedrich II, das Asseburgische Vorwerk zu Calbe verpfändet hatte, war Kammerherr am Hof Friedrichs I. in Preußen.

In schärfstem Gegensatz lebte der Minister zu seinem Vetter Ludolf XVII. (1652–1733), der ihm als Mitbesitzer von Neugattersleben mit seinem „heftigen und widerwärtigen Charakter“ das Leben dort verdarb. Dieser Ludolf besaß 1690–1733 das Alte Vorwerk zu Calbe, Groß Engersen, Bismark und Plathe. Mit Hilfe seiner Calbeschen Bauern organisierte er kleine Feldzüge, einmal, um seine Gemahlin, Maria Elisabeth v. Rathenow, die ihn schlechter Behandlung wegen verlassen hatte, mit Gewalt aus ihrer Heimat Plänitz in der Grafschaft Ruppin, zurückholen, ein andermal nach Neugattersleben, um Beamte des Ministers zu drangsalieren. Ein Hof-Reskript Friedrichs I. von 1698 verbot ihm nach mancherlei Untaten den Aufenthalt in Neugattersleben und verbannte ihn auf seine altmärkischen Güter. „Hierauf trennte er sich eigenmächtig von dem Gesamtwesen der Familie zu Calbe, ließ zum Nachteil seiner Lehnsfolger seine Güter mutwillig zu Grunde gehen und verursachte dadurch Prozesse mit sämtlichen Geschlechtsvettern“. So kam es, dass Ludolf 1707 von dem ihm zustehenden Familienseniorat ausgeschlossen wurde, mit dem die Lehnsträgerschaft des Geschlechts und das Recht, Aftervasallen desselben zu belehnen, verbunden war, „das einem Mann von seinem Charakter nicht ohne Besorgnisse anvertraut werden konnte“. Er starb hochbetagt zu Groß Engersen und hinterließ seine „mit Schulden beschwerten und unglaublich vernachlässigten“ Güter den Söhnen des von ihm so gehassten Ministers als Lehnsfolgern.

Das Alte Vorwerk in Calbe scheint er aber neu aufgebaut zu haben. Es steht noch eine Scheune, die über eine der Auffahrten seinen Namen mit der Jahreszahl 1728 trägt. Die andere Auffahrt trägt die Inschrift: „Gottes Gabe ist mein Haabe“"1" .

Georg Dietrich I. (1685–1727), der die sämtlichen Güter Busses XIV. erbte, darunter dessen Anteil an Calbe, lebte in Berge (s. Kapitel Zichtau). Joachim Ludolf (1661–1730) besaß seit 1698 den Anteil des Hauses Calbe–Roda, diente als „Gefreyter“ und “Korporal“ bei der Brandenburgischen Leibstandarte zu Fuß und wurde Leutnant im kursächsischen Heer. Nach 1698 nahm er Wohnsitz in Calbe–Großes Vorwerk und erbte 1714 von seinem Bruder Werner Ordomar die Hälfte von Kloster Roda dazu. 1693 hatte er zu Calbe seine Base Sophia Hedwig v. Rauchhaupt geheiratet, Tochter Albrecht Volraths auf Hohenthurm und Landin und der Anna Agnes v. Alvensleben a. d. H. Calbe. Sophia Hedwig, Witwe Ernst Ludwigs v. Bülow auf Gartow und Klein Schwechten, mit dem sie von 1676–1683 vermählt gewesen war, starb an der Wassersucht zu Calbe und wurde in der Nikolaikirche beigesetzt. Nach ihrem Tode übergab Joachim Ludolf 1728 die Güter seinen Söhnen, zog nach Salzwedel und verschied 1730 auf dem Wege zu einem Lehnstermin in Rogätz zu Calbe, wo auch er seine Ruhestätte fand.

Seine Tochter Susanna Sophia (1695–1769), geboren zu Calbe, gestorben und beigesetzt zu Weferlingen, heiratete in erster Ehe Hans Erich v. Rabiel, Sachsen-Meiningenschen Kammerrat auf Pouch, Schköna und Rösa (bei Bitterfeld), in zweiter Johann Friedrich Moritz v. Loe, Kgl. Preußischen Rittmeister.

Joachim Ludolfs jüngster Bruder Bodo Dietrich (W.180) auf Kropstedt und Jahmo bei Wittenberg war der Urgroßvater des Staatskanzlers Fürsten Hardenberg.


mit freundlicher Genehmigung, entnommen der Chronik "Die Alvensleben in Kalbe - 1324-1945" von Dr. Udo v. Alvensleben-Wittenmoor verfasst 1920-1960 bearbeitet von Prof. Dr. Reimar v. Alvensleben

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Scheune auf dem „Holländerhof“, heute Gartenstr 9

   
  
 

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