Geschichten über Kalbe Milde
 

 


 

 

 
Die Geschichte der Stadt Calbe (Milde) bis zum Jahre 1720

(Nach den Quellen bearbeitet von H. Sange, Halle a.d.S. aus dem Montagsblatt - Wissenschaftliche Beilage der Magdeburgischen Zeitung vom 15.August 1927 Nr 33 und Nr. 34
bitte unbedingt die Anmerkungen unten berücksichtigen.)

Vorbemerkung
Die kulturelle Entwicklung eines Volkes bewertet und versteht man nur dann richtig, wenn man vor allem der Geschichte der Dörfer und Städte Beachtung schenkt. Das Werden einer Stadt, ihren Entwicklungsgang enthält die nachfolgende Abhandlung. Zur Beschreibung der Stadt Calbe benutzte ich nur alte, zum Teil lateinische ´Quellen. Die ältere und unbekannte Geschichte Calbes bis zum Jahre 1720 wird den werten Leser in meinem Berichte dargestellt. Der spätere Entwicklungsgang nach 1720 dürfte bekannter sein.

Ortsnamenbedeutung
Kalbe oder Calbe ist aus dem Wort Kalu entstanden, „Kalu“ bedeutet Schmutz, sumpfiger Boden. Der Ortsname Calbe ist also ein Naturname.

Was die Sage berichtet.
1. Der Überfall zu Calbe an der Milde
Die Ruinen der alten Burg zu Calbe /Milde) umgibt noch jetzt ein breiter Graben, der einst zum Schutze den Raubrittern diente. Ehedem war dieser Graben viel breitet und tiefer. Die Burg war früher ein Sammelplatz der Raubritter. Die Feste wurde von Kaufleuten und Reisenden möglichst gemieden und umgangen. Die Festigkeit der Burg, ihre gute Lage im Bruche und Moor boten den Rittern ausreichend Schutz. Einzelne Mauern, Überreste der alten Burg, zeugen von der festen Bauart des ehemaligen Rittersitzes. Ein Haus, das jetzt als Wohnung dient, war früher ein Gefängnis. (das alte Wachhaus und heutige Museum) Um 1850 konnte man noch die Stümpfe der Balken sehen, die einst die Zugbrücke trugen. In einzelnen verfallenen Gemächern fanden sich um 1800 sogar noch Glasscheiben.

Mit dem Verfalle der Burg hatte es folgende Bewandnis. Ein Herr von Alvensleben lag einmal in Fehde mit mehreren Ritter der Umgegend. Man verabredete aber einen Vergleich bei der Tauffeier eines der Alvenslebenschen Kinder. Die Ritter kamen, ritten auf dem engen Wege nach der Burg vor und passierten die Zugbrücke. Ihre Knappen und Reisigen drangen nun ebenfalls in die Feste ein. Die ahnungslosen Burgmannen wurden überwältigt und getötet. Dem Herren hieben sie die Hände halb ab, der Frau die Daumen. Das Kind, dessen Tauffeier die Veranlassung zu dem Anschlage bot, soll mit der Amme über den breiten Burggraben entkommen, die goldene Wiege des Kindes in den Burggraben gefallen sein und noch jetzt des glücklichen Finders harren. In der Kirche zu Calbe sind der Burgherr und die Burgfrau(x) mit den abgehauenen Gliedern in Stein ausgehauen. Die abgehauenen Finger liegen lose im Helme, der vor dem Ritter angebracht ist. – Die Burg soll im 30-jährigen Kriege den Franzosen als Stützpunkt gedient haben. Gegenwärtig wohnen Gutstagelöhner in ihren Mauern. Viele der alten Feldsteine werden zu Neubauten gebraucht. Der Burgherr besaß genug Land, daß die Insassen sich vollkommen vom Ertrage dieser Ländereien ernähren konnten.

(x Das Epitaph in der Kirche stellt Ludolph den XI. von Alvensleben +1589 und seine Ehefrau Anna geb. von der Schulenburg + 1604 dar. Jahrelang fehlten die Finger, weil sie wahrscheinlich bei Reinigungs- oder Reparaturarbeiten abgefallen sind, heute sind sie wieder angeklebt. Siehe Fotos https://www.altmark-geschichte.de/platten_db/db_show_script.php?id=10&search_name=kalbe)

2. Die Zerstörung des Schlosses zu Calbe
Auf der Burgruine zu Calbe konnte man lange Zeit eine Öffnung sehen, die zum Jungfernkissen führte. Dort wurden Verbrecher gehalten, die dann eines Tages auf grausame Art ermordet wurden.
Im Schloßgraben soll es oft gebrannt haben. Der Herr von Alvensleben habe nämlich bei der Zerstörung des Schlosses einen silbernen Sarg in jenen Graben versenkt. Die Zerstörung des Schlosses wird aber so erzählt:
Feindliche Truppen hatten die Burg bereits längere Zeit vergeblich belagert. Da bedienten sie sich einer List. Herr von Alvensleben wurde als Gevatter ausersehen. Der Feind bekam somit die Burg und seine Familie in seine Gewalt. Der Burgherr nebst seinen Angehörigen und seinen Getreuen wurde umgebracht. Nur ein Kind entkam mit seiner Amme. Von diesem Kinde soll nun das jetzige Geschlecht abstammen. Dem Herrn von Alvensleben seien die Hönde, seiner Frau die Brüste abgehauen worden. Dem Kinde habe man die Zunge ausgeschnitten. Ein Bildnis in der Kirche zu Calbe stellt die Verstümmelungen dar. In Apenburg erzählt man aber, die Figuren in der Kirche seien Schulenburgs aus Apenburg. Der Herr von Schulenburg sei arglos mit seiner Frau auf Einladung des Burgherrn nach Calbe gekommen. Dort habe man dem Herrn von Schulenburg die Augen ausgestochen und seiner Frau die Brüste abgetrennt.
(siehe Anmerkungen zu 1. )

3. Geschichtliches über Calbe
Das Wort „Calbe“ wird auch von Galba, castellum Galbae, Ptolemai Calesia, Coalbis hergeleitet. Es ist nun nicht erwiesen, daß Calbe von Galba gegründet wurde. Eher kann man es auf Kalmi=Stich oder Kolo=Kreis zurückführen. Am klarsten ist die Deutung des Wortes „Calbe“ in 1. (Ortsnamendeutung) gegeben.
(Anmerk.: die Ausführungen sind als sehr unwahrscheinlich anzusehen.)

Calbe zählte man früher unter die sieben Flecken der Altmark. In allen Urkunden ist Calbe aber als Stadt gekennzeichnet. In einem Lehnbrief heißt es:
„Dominus (Ludovicus) contulit Alberto de Alvensleben castrum et civitatem Calue“.
d.H. „Der Gebieter übertrug Albert von Alvensleben die Burg und die Herrschaft über Calbe.“

In einer Urkunde aus dem Jahre 1196, in der die Übergabe der Altmark an das Erzstift Magdeburg geschildert wird, ist Calbe ebenfalls mit „Burgwardium Calbe“ als Stadt angeführt. Auch der Churfürst Friedrich der II. erkennt 1488 mit „Burgrecht Calve“ die Ortschaft als Stadt an. Calbe besaß keine Mauern. Schutz bot der Stadt die Milde. Zugang zum Städtchen hatten die Bewohner und Fremden durch das Salzwedelsche und Gardelegener Tor. Die Straßen waren: Richtstraße, Todtenstraße, Neustat und der Kiez. 76 Bürgerhäuser und neun Buden bildeten den Ort Calbe. Es lagen ferner außerhalb der Tore des Städtchens Häuser, die Handwerkern und Dienern der Adelsfamilie zu Wohnung dienten.

a. Die Kirche
Die Kirche Calbes, namens St. Niklas, war eine der ältesten der Altmark. Die Zeit erforderte allmählich drei gründliche Reparaturen, 1573 wurde sie zum letzten Male erneuert. Das Hauptbild des Gotteshauses stellte die „Heilige Jungfrau Maria“ dar. Die hölzerne Kanzel war mit Schnitzwerk versehen. Bilder der Evangelisten hingen an den Wänden. Als Taufbecken gebrauchte man einen ausgehauenen Stein. Die Orgel, ein sehr altes Instrument, wurde 1573 vergrößert. Die große Kirchenglocke trug das Bildnis der Jungfrau Maria mit folgender Inschrift:
V. rex gloriae cum pace J.H.S. Marie MCCCCXV d.h. Der König des Ruhms, der Ehre mit dem Frieden J.H.S Marias 1415.

Darunter stand der Name: Clawes Bannestet van Magdeburg. Die Aufschrift der mittleren Glocke enthielt neben den Worten: „Laudi Jehovae inservio“ d.h. Zum Lobe Johovas diene ich. Die Namen sämtlicher Herren von Alvensleben, ferner Chr. Lotichius Judex, M. Simon Struvius und die Prägung „Heinrich Borstelmann aus Braunschweig hat mich gegossen“. – In der Nähe des Altars befanden sich verschiedene Grabmäler mit lateinischen Inschriften. Ich gebe jetzt die Inschrift auf dem Steine Ludolfs von Alvensleben in freier deutscher Übersetzung wieder:

„Am 28. Januar 1562 verstarb der tatkräftige und wahrlich edle Ludolph von Alvensleben. Der Statthalter Salzwedels, ein würdiger, von Fürsten und Freunden verehrter Mann, der Kirche und Staat mit allen Kräften diente, den alle liebten, an dem Tage und zu der Stunde, an dem er vor zwei Jahren seine gesegnete Hochzeit feierte, fromm, gütig im aufrichtigen Glauben und Vertrauen auf Gott.“ (freie Übersetzung)

„Gerade gegenüber siehst du unter parischem Marmor ein Grabmal, ein Grabmal, das in mir keine trüben Erinnerungen hervorruft. Denn unter diesen Steinen ruht der durch den Tod erlöste Ludolph von Alvensleben, ein berühmter Mann aus adligem Geschlechte. Er war der Hüter des Rechtes, Verfechter der Wahrheit und eine Zierde seines Hauses. Ebenso wie einst der starke Ajax den Danaer füllte, so trafst du in deinem Leben „Rosa“ in Jugendblühte. Also Ludolph, du selbst redest, nicht die vielgenannte Tugend. Von deinem Ruhme werden spätere Geschlechter hören. Da Denkmäler und geschmückte Säulen von vergangenen Tagen berichten, so werden sie von deiner Liebe und Güte ein unvergängliches Zeugnis ablegen. Leb wohl, erlauchter Ludolph! Als Verklärter weilst du in himmlischen Regionen, unter dem Schutze des Heilands lebe, ruhe, leb wohl! Auf der Erde sind Arbeit und Lasten. Du wirst aber sanft in der Ewigkeit ruhen, denn der Tod bringt Erlösung und himmlische Freude. In einer neu erbauten Kapelle zu Calbe befand sich eine Gedenktafel, auf der eines in Genua verstorbenen „Busso Klamens von Alvensleben“ gedacht war. Andere Tafeln wiesen die Namen Hedwich von Bredowe Hiricke, Margarethe von Holle, Frau Wedigd. Wigand auf. Diese Verstorbenen hatten teils den Herren von der Schulenburg, teils der Familie von Alvensleben vor ihrem Ableben gedient.

b. Die Prediger
Berühmte katholische Priester waren in Calbe 1507 Matthäus Rikke und 1468 Johannes Molve. Nach der Reformation stand Calbe zunächst unter der Salzwedelschen Inspektion. Doch bald brachen die Herren v. Alvensleben und v.d. Schulenburg die Beziehungen zu den Geistlichen Salzwedels ab und richteten eigene Inspektorate in ihren Bezirken ein. Man nimmt an, daß die Trennung vor 1600 geschah. Der erste evangelische Pfarrer war Elias Hofmann (1548-1579), den Fanatiker aus Böhmen vertrieben hatten. Seine wertvolle Bibliothek vermachte der neue Geistliche aus Dankbarkeit der Kirche. Streitschriften von Luther, die Werke „Teutsch und Lateinisch“ die Schriften „Patres, Concilia, Centuriatores Magdeburg“ bildeten als seltene Bücher nebst anderen Werken die Bibliothek des Seelsorgers. Unter den nachfolgenden Pfarrern wird Christoph Henrici besonders erwähnt. Er kam 1672 nach Calbe und starb dort 1727 im Alter von 87 Jahren. Außer seinen Verdiensten um das kirchliche Leben der Stadt erwarb er sich durch eine Schenkung von 2000 Reichstalern an die Kirche die allgemeine Verehrung der Bürgerschaft. Pfarrer M. Johann Christian Goclenius kam aus Magdeburg nach Calbe. Diesem Manne, der der in seinen Mußestunden schriftstellerte und Münzen sammelte, verlieh S.K.M. 1744 den Titel „Consistorial-Rath“. Von den Archidiakonen nenne ich nur die wichtigsten: Jacob Benkam, Michael Dalans, Kaspar Rienor, Gebhard August Hahne usw. Diakone waren: Wed. Wiegand Wibek, Christian Friedrich Salfeld usw. Später wurden beide Diakonate vereinigt. Der schon erwähnte Archidiakonus Hr. Gebhard August Hahne, gebürtig aus Magdeburg, blieb also der einzige Archidiakonus. Er hatte nun auch die Geschäfte des Diakons zu führen. Eine Nebenstelle des Diakons übertrug man dem Pfarrer von Zichtau.

Die Schule in Calbe (Milde)
Das erste Schulhaus erhielt Calbe 1562. An seiner Stelle errichtete man 1732 ein neues Gebäude, da das alte Haus sehr baufällig geworden war. Die Stadt hatte ferner 1726 eine besondere Mädchenschule bauen lassen.

Das Kloster von Calbe
Vor Calbe soll früher ein Kloster des „Hlg. Laurentius“ gestanden haben. Einwohner Calbes haben um 1600 noch Mauern davon gesehen. Zugleich wurden Steine und Gerippe an der Stelle ausgegraben. Den Ort nannte man „Lorenz-Kirchhof“. Einen Acker benannten die Bürger Nonnenwerder. Man kann also annehmen, daß jenes Kloster ein Nonnenkloster war.

Die Herren von Calbe
Die ersten Besitzer von Calbe waren die Herren von Kröchern. Markgraf Albrecht vertrieb infolge eines Streites die Herren von Kröchern aus Calbe. Er, der Markgraf Albrecht übertrug nun Gervasio v. Alvensleben vorläufig die Herrschaft über Calbe. Aber erst 1324 kam Calbe endgültig unter die Verwaltung der Herren von Alvensleben. Die Brüder Hannes- und Heynecke van Chröchern Riddern verkauften damals an Albrecht von Alvensleben das „Huß tu Calve mit den umliegenden Döfern. Die formelle Bestätigung des neuen Grundherrn fand ebenfalls 1324 am „Marien-Magdalenentage“ durch die Herzogin Agnes statt. Markgraf Otto sicherte 1371 Gebhard von Alvensleben nebst seinen Angehörigen den steten Besitzt und die Herrschaft über Calbe zu.

Das Schloß zu Calbe in der Geschichte
Viele wundersame Dinge weiß bekanntlich Frau Sage über die Burg „Calbe“ zu erzählen. In diesem Abschnitt werden uns nur Tatsachen geschildert. Das feste Haus oder Schloß zu Calbe wurde von Albrecht dem II. von Alvensleben mit Wällen und einem Graben umgeben. Seine Nachkommen erweiterten die Befestigungsanlagen. 1243 wurde das Schloß in dem Kriege zwischen Otto dem Frommen und dem Erzbischof von Magdeburg, namens Wittebrando verwüstet, Herr Albrecht von Alvensleben ließ später die Burg erneuern und befestigen. 1552 schlossen Ludolf Aßmuß-, Joachim-, Gebhard Reinar von Alvensleben nebst ihren Verwandten einen Burgfrieden. Ihre Nachfolger erneuerten ihn 1602, Die Landesfürsten, u.a. Churfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, genehmigten am 10. Januar 1646 die Vereinbarung. Auf der Burg soll nach einem Bericht des Historikers Edinus eine Glocke den Tod jedes Mitgliedes der Familie von Alvensleben von selbst durch Anschlagen verkündet haben.
Quin etiam Calbae fuerat campana sub arce
Quae quoties illo prognatus stemmate quisquam,
Extremis etiam vita defunctus in oris, Mirandos
toties sonitus, crepitusque minaces
Edidit, et properam portendit prauescia mortem
Certe etenim antiquis memorantur plurima seclis
Abstrusa et fidel plane contraria facta.

d.h. etwa:
Es gab sogar auf der Burg Calbes eine Glocke, die bei der Geburt eines Kindes oder beim Tode eines Burgherrn in der Fremde oftmals zu aller Verwunderung so häufig, Schläge, Töne und Klänge erschallen ließ, den schnellen Tod vorherwissend ankündigte, und zwar gewiß, denn in alten Urkunden werden sehr viele geheime und der Glaubwürdigkeit völlig wiedersprechende Geschehnisse erwähnt.

Im 30 jährigen Kriege bemächtigten sich zuerst kaiserliche Truppen des Schlosses. Danach kam die Feste an König Gustav Adolph. Churfürst Georg Wilhelm ließ darauf die Wälle des Schlosses schleifen, die Gräben zuschütten und die übrigen Befestigungen zerstören. Die Herrn von Alvensleben begaben sich nun auf ihre Landgüter. Die Burg stand somit leer und zerfiel im Laufe der Zeit, sodaß heute nur wenige Mauern von einstiger Pracht zeugen. Im Rathause hatte man einen Kupferstich von dem Schlosse. Neben der Feste befand sich eine Kirche, die ebenfalls zerfallen ist. Das Archiv der Herren von Alvensleben wurde in Schreckenstagen im Calbenser Gerichte, in Zichtau und in Hundisburg vor der Vernichtung bewahrt.
(Anmerk.: die ersten die die Burg besetzten, waren nicht kaiserliche Truppen, sondern die Dänen)

Die Geschichte von dem Ringe
Die Gemahlin eines Herrn von Alvensleben wurde eines Nachts von einer Magd geweckt. Das Mädchen bat die edle Frau, einer erkrankten Dame zu helfen. Frau von Alvensleben folgte der Magd sofort, gehorchte auch deren Rate, in dem Hause der Kranken keine Speisen und Getränke anzunehmen. Nach geraumer Zeit erschien die gleiche Dienerin wieder um Mitternacht am Bette der Schloßherrin. Sie überreichte im Namen ihres Herrn der bestürzten Edlen zwei übereinandergestülpte Schüsseln, in denen ein köstlicher goldener Ring lag. Die Magd sprach dabei: „Der Ring bringt dem Geschlechte von Alvensleben ungeteilt nur Glück und Segen. Falls er aber verlogen geht oder zerteilt wird, kommt Unglück über die Familie.“ Nach diesen Worten verschwand die Jungfrau. Bei einer späteren Erbteilung hatte man den Ring in zwei Hälften zerlegt. Unglück traf den Herrn von Alvensleben besonders, der auf der Teilung des Ringes bestanden hatte. Die andere Hälfte des Ringes wurde in der Familienkapelle derer von Alvensleben zu Calbe verwahrt. Griacus Edinus bringt die Begebenheit in Versen. Unerwähnt möchte ich nicht lassen, daß in seiner Schilderung die Burg Calbe „Arx Alvenslebia, sedes celeberrima Gentis“ d.h. „Die Burg Alvensleben, der berühmteste Stammsitz des Geschlechtes der Herren von Alvensleben“ genannt wird.

Eine andere Überlieferung besagt, daß nach der Geburt der betreffenden genannten Frau deren Gatte, ein unbemittelter Mann, der Burgherrin eine Schüssel nebst Goldstücken überreicht habe. Doch Frau von Alvensleben nahm dieses Geschenk nicht an. – Die Begebenheit kann sich erst nach 1324 zugetragen haben. Nach anderen Berichten hat eine Teilung des Ringes überhaupt nicht stattgefunden. Auch ist keine Seitenlinie ausgestorben. In sämtlichen Aufzeichnungen wurde jegliche Begebenheit im Hause Alvensleben genau beschrieben. Danach war der Ring ein gewöhnlicher Trauring. Ursprünglich sollte es ein Diamantring gewesen sein. Von einer Teilung des Ringes ist nichts bemerkt. Die Erzählung ist daher mehr als Sage zu betrachten.
(Anmerk.: Den Ring gibt es wirklich, er wurde in Kalbe im August 2010 in der Kirche gezeigt und befindet sich heute im Domstift zu Brandenburg. Es gibt sehr viele Varianten dieser Geschichte, die mit den Zwergen (siehe Sagen und Gedichte) gefällt mir jedoch am besten.)

Die Kapelle
In der Nähe des Schlosses befand sich früher eine Kapelle, genannt „Zum heiligen Kreuz“. Um 1650 konnte der Wanderer nur noch die Grundmauern des Gebäudes finden. Verträge der Herren von Alvensleben um 1477 und 1487 weisen den Namen der Kapelle mehrfach auf. Ein Buch aus dem Jahre 1494 enthielt die Namen bedeutender Priester, Lehrer und Schüler des Städtchens Calbe. Die Heiligenbilder aus der Kapelle sollen heute noch im Besitze der Fam. von Alvensleben sein. Kelche und Kirchgeräte gingen verloren.
(Anmerk.: Die Kapelle war unmittelbar neben dem Hausmannsturm, die Heiligenbilder sind Sage, die Kelche existieren jedoch heute noch und wurden gleichfalls 2010 in der Kirche gezeigt)

Die Besitzungen der Herren von Alvensleben
Im Jahre 1324 übernahmen die Herren von Alvensleben endgültig die Herrschaft über Calbe. Unter ihrer Verwaltung standen die Flecken Calbe und Bismark. Ferner u.a. die Dörfer Bune, Gustevelde, Sype, Geditz, Plote, Brunaw, Pakebusch, Hagenow, Bese, Horst, Altmerschleue, Carstede, Dolchowe, Molitz, Starbetke usw.. Die Ortschaft Cheinitz gehörte z.Zt. auch den Herren v.d. Schulenburg. Der gesamte „Werder“ war dem Gerichte in Calbe unterstellt. Ein Nebengericht gab es auf den Adelhöfen in Zichtow- Die Herren von Alvensleben verliehen verdienten Mannen Afterlehen, z.B. Scharstedt, Schortau, Molitz, Windberge usw.

Der Rat zu Calbe
Calbe besaß zwei Ratsherren. Diese Männer hatten nur über kleine unbedeutende Fälle, die zur „inferorem Juris dictionem“ „Geringer Rechtssprechung“ gehörten, zu entscheiden. Berufungsgericht war das Alvenslensche Gesamtgericht, dem auch der Rat unterstand.

Die Bürgerschaft
Calbe zählte damals ungefähr 90 Einwohner. (wann war damals???)Dem Schutzherrn waren die Calbenser zu Diensten verpflichtet. Zinsen und Pachtgelder waren außerdem zu zahlen. Die Einwohnerschaft ernährte sich von den Ergebnissen der Heu- und Hopfenernte. Hopfen, Holz und Heu wurden auch am meisten verkauft. Eine Wiese soll z.B. jährlich 100 Fuder Heu eingebracht haben. 1737 fiel die Hopfenernte so schlecht aus, daß gar kein Hopfen umgesetzt werden konnte. Zwei Jahrmärkte fanden in Calbe statt. Der eine war der „Petri- und Paulimarkt“- Den anderen nannten die Einwohner „Kreuzerhöhungsmarkt“. Wappen und Siegel des Städtchens enthielten einen gespaltenen Schild. Auf der einen Hälfte konnte man einen halben Adler, auf dem anderen Abschnitte eine halbes Kalb finden.

Calbe im 30 jährigen Kriege
Historiker berichten fast nichts von den Schicksalen der Stadt während des unheilvollen Krieges. Nach einzelnen Berichten ist aber erwiesen, daß 2000 dänische Truppen 1626 in Calbe und Umgebung lagerten, unter denen die Bevölkerung viele Leiden erduldete. Am 19. Februar haben 150 Reiter nebst 60 Wagen, am 22. Februar 100 Berittene, am 7. Mai 100 Reiter, am 9. Mai Marquard Ranzow mit 6 Fahnen besonders Güsselfeld besetzt. Kirchen und Güter wurden beraubt und zerstört. Am Himmelfahrtstag zog Ernst von Willersheim mit seiner Mannschaft auf drei Wochen in Güssefeld ein. Exaudi wurde der gesamte Werder von Wilhelm von der Hude und seinen Fußsoldaten auf vier Wochen in Besitz genommen. Auf dem Güssefeldischen Damme errichteten Soldaten zwei Schanzen. Die Getreidefelder der Ortschaften Plathe und Biese vernichteten die räuberischen Scharen des Quartiermeisters Anton Kropf, der in beiden Dörfern mit seiner Kornettsbagage ein Lager hatte. Am 8. September 1626 verschwanden dann die letzten dänischen Truppen aus Calbe und der Altmark. Als Vertreter der Lehre Luthers waren sie Freunde der Protestanten. Ihr Auftreten den Altmärkern gegenüber war feindlich genug. Unter ihrem Regimente brach unter den Soldaten und Bewohnern der Altmark die Pest aus. In Güssefeld starben allein 78 Personen an dieser Seuche. (In Kalbe starben 1636 153 Menschen an der Pest) Später kamen kaiserliche Truppen in die Altmark. Der Werder nebst Calbe wurde infolge besonderer Verträge von churfürstlichen Truppen besetzt. Am 12. August 1630 nahmen kaiserliche Truppen Calbe mit List ein. Die Schweden bemächtigten sich am 14. Oktober 1631 des Städtchens. Die Truppen plünderten und beraubten die Dörfer häufig. Durch Androhung schwerster Strafen suchten sie von der Einwohnerschaft Geld zu erlangen. Die Gelder für den Unterhalt der Besatzungstruppen waren sehr hoch. Als am 27 Juli 1632 der Oberst Roß die Burg Calbe verließ, mußten Calbe und die umliegenden Dörfer, deren Einwohnern durch die unzähligen Leiden und Erpressungen verarmt waren, 1500 Reichstaler zahlen. 1635 bestand die Einwohnerschaft Güssefelds nur noch aus vier Bauern und einigen Tagelöhnern, die den Sachsen, denen der Werder von Michaelis bis Weihnachten 1635 unterstand, außer Lebensmitteln, Kleidungsstücken, Vieh noch 2494 Reichstaler geben mußten. Ein unbekannter Mann schrieb deswegen im Sinne aller Altmärker nieder:

„Hans Georg von Churfürst von Sachsen Thut uns Altmärker wacker plakken.“

Nach dem Abzug der Sachsen drangen wieder schwedische Truppen in die Altmark ein. Doch Calbe und der Werder wurden von ihnen nicht besetzt. Die Bauern des Werders und Drömlings hatten inzwischen Einwohnerwehren gebildet. Soldaten, Räuber, die in ihren Bezirk eindrangen wurden getötet. Der Bauer griff also zum Selbstschutz. Sein Losungswort war nun ebenfalls „Im Krieger gibt es keine Gesetzt“. Den Freischulzen Stapenbeck aus Jeetze ernannten die Bewohner des Calbischen Werders zu ihrem Kommandanten. Grausam verfuhren die Feinde mit Gefangenen aus diesem Bezirke. 1675 sollen schwedische Truppen einen Mann, namens Klaus Lange, am Feuer gebraten haben, damit er ihnen sein vergrabenes Geld verraten sollte. Die Einwohner von Engersen bekamen infolge ihrer Tapferkeit gegen die Schweden in den Schlachten bei Rathenow und Fehrbellin eine Fahne, die folgende Aufschrift trug:
„Wir Bauern von geringem Guht
Dienen unserem Gnädigsten Churfürsten
Und Herrn mit leib und bluht.“
In Calbe wurde die Fahne verwahrt.
(Anmerk.: die Fahne befindet sich heute in der Kirche zu Kl. Engersen, mehr zu dieser Zeit, ist unter dem Kapitel „Wasserburg“ zu finden.)

Berichte aus der Umgebung von Calbe
Vor Calbe liegt ein Berg, namens Petersberg, der 1650 schon als Acker diente. (Siehe https://www.kalbe-milde.de/vgs.php?pid=vgs_4_pb.php) Auf diesem Hügel soll einst ein Kloster gestanden haben, Doch keine Chronik enthält Nachrichten darüber. Bei dem Dorfe Mehrin erhob sich auf einem, mit tiefem Graben umgebenden Berge früher ein Stolzes Schloß. Es soll eins der ältesten märkischen Schlösser gewesen sein. In Friedenszeiten hausten Räuber in der Feste. Viele Einwohner aus Mehrin umliegenden Dörfern wurden von diesen Banditen erschlagen. Um 1650 ragten nur noch einzelne verfallene Mauern zum Himmel empor.

Von dem „Dolchauischen Berge“ bei Calbe konnte man die sieben Städte der Altmark sehen. Hier soll in vergangenen Tagen die Wahl des Landeshauptmanns stattgefunden haben. Alljährlich wurde auf dem Berge von Vertretern der Ritterschaft, der Städte und Dörfer ein öffentlicher Land- und Gerichtstag abgehalten. Urkundenliegen hierüber nicht vor.

Das Dorf Butterhorst lag auf einer Insel und war nur auf dem Wasserwege zu erreichen.

Bei Jeetze standen 1650 die Ruinen eines kleinen Turmes. Das Volk hielt den Turm für einen wendischen Bau. Wahrscheinlich ist aber, daß ein säcksischer Edelmann die Warte zum Schutze gegen die Wenden hat bauen lassen.

In der „St. Nicolaikirche“ zu Siepe befand sich hinter einem eisernen Gitter das Bildnis des „Heiligen Nicolai“. Das Kirchenarchiv enthielt einen Ablaßbrief vom Jahre 1507. Allen Dörflern, die Ostern und am 8. Sonntag nach Trinitatis dem Gottesdienste beiwohnten, wurde Ablaß – Vergebung der Sünden gewährt. Den in lateinischer Sprache verfaßten Ablaßbrief hatten 24 Kardinäle unterschrieben. Den Altar umgab ein eisernes Gitter. Einige Nebenaltäre und mehrere Bilder schmückten die Kirche.

Dicht bei dem Dorfe Siepe stand auf einem Hügel der sehr alten „Prüssen Baum“. Prüssen war der Name eines Bauern, der sich an ihm aufgehängt hatte. Der Baum diente im 30 jährigen Kriege als Warte.

Benkendorfs Kirche zierte das Bild eines Bischofs, auf dem die Worte:
„Gerhardi Die gratia Episcopus Verdensis“ d.h. Gerhard Bischof von Verden durch Gottes Gnaden standen.

Die große Glocke „Kremkaus“ zeigt die Verse: „Anno salvatoris nostri 1599 reparata est haec campana duce et azspice Christo, Pastore Magno Christiani, Praepositis Joachim Erxleben und Paul Schultzen. Verbum Domini manet in aetternum“.
D.h. „Im Jahre 1599 unseres Erlösers ist diese Glocke unter Führung und Leitung des Heilands, dem großen Hirten der christlichen Religion, von den auserwählten Männern Joachim Erxleben und Paul Schulzen erneuert worden. Des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit.“
Vor Kremkau lag ein Knüppeldamm, der durch einen tiefen Morast führte. Sein Name war „Kahnsteig oder Kahnstieg“.

Beim Beackern seines Feldes fand ein Güssefelder Bauer zwei Siegel. Auf dem einen stand: Ludolf de Wanstor (Warnsdorf). Das andere war mit dem Bildnis der Jungfrau Maria und einem betendem Mönche versehen.

Im gesamten Kalbischen Werder brachten die Bauern über dem Tore ein Pflugrad an. Das Vieh wurde dadurch nach dem Volksglauben vor dem Teufel und Zaubereien geschützt.

Zethlinges Kirche hatte um 1650 in einem Winkel einen zweiten Altar, den sogenannten „Kluß“. Von diesem Altare wurde vor der Reformation den Bauern von katholischen Priestern gegen Entgelt Ablaß gewährt.

Hinter dem Dorfe Wustrewe fand man damals Mauerreste. Es waren wahrscheinlich Überbleibsel eines Turms oder Schlosses.

Schlußwort: Die Aufzeichnungen über Calbe und seine nähere Umgebung sind nun beendet. Meine Absicht ist, den Heimatsinn der Altmärker zu verstärken und Verständnis für vergangene Zeiten zu erwecken. Die lateinischen Stellen habe ich absichtlich frei übersetzt, um in einigermaßen guten deutschen Ausdrücken allgemein verständlich zu werden. H. Sange Halle an der Saale


(Anmerk.: Leider ist an keiner Stelle auf irgendeine Quelle verwiesen, an verschiedenen Stellen des Textes wurden von mir in Kursivschrift Anmerkungen vorgenommen- Henning Krüger
Im nach hinein ist zu vermuten, das unser Autor sich aber sehr stark auf Bekmanns „Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg“ Band II, Berlin 1753; Fünfter Teil, I. Buch, IX. Kapitel (Von den kleinen Städten und Flecken in der Altmark), Unterkapitel III. Kalbe, Spalte 43 bis 64 gestützt hat siehe auch https://www.kalbe-milde.de/st.php?pid=st_7_be.php)

Die digitalisierten Ausgaben vom Magdeburger Montagsblatt entstammen aus folgenden Quellen: Nr. 33 Stadtarchiv Salzwedel
Nr. 34 Stadtarchiv Magdeburg
Montagsblatt Magdeburg

 
 
 
 
 
   
  
 

   © 2001 by H.Krüger •      •   Haftungsausschluß   •   Quellen  •   Impressum