Geschichten über Kalbe Milde
 

 


 

 


 
Der Hexenprozess in Kalbe Milde vom 10. Juli 1595


Hexenverbrennung

Grafik v.sofatutor.com
Zum ersten Mal erfuhr ich, dass es in unserem kleinen Kalbe Hexenverbrennungen gegeben hat, durch das Buch von Lieselott Enders „Die Altmark“. Neugierig gemacht, wollte ich die Originalunterlagen sehen. Im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam hatte ich dann 2017 die Gelegenheit, mir die entsprechenden 15 Seiten aus dem Archiv des Brandenburger Schöppenstuhls anzusehen (Bezeichnung BLHA Rep 4 D Nr. 13 ff.). Es war für mich sehr schwer, die sehr schwierig zu entziffernde Schreibschrift zu lesen. Hier möchte ich mich ganz herzlich bei Steffen Langusch aus Salzwedel bedanken, der dies in exzellenter Weise ermöglichte.

Im Folgenden sehen sie die erste Seite als Text und anschließend im Foto. Danach ist der komplette Text einsehbar, jedoch haben wir versucht die Schreibweise einigermaßen der heutigen Lesart anzugleichen. Wichtig war dabei, dass der Inhalt korrekt wiedergegeben wurde.

Neu war für mich auch damals, dass Hexenverbrennungen in der Altmark im 16. und 17. Jahrhundert keine Seltenheit waren. Bereits Mitte des 16. Jahrhunderts fanden in Gardelegen innerhalb von 10 Jahren 15, im beginnenden 17. Jahrhundert in der Region von Seehausen um 200 Verbrennungen statt. Meines Wissens war die letzte Verbrennung 1698 in Stendal. Die Gründe sind sehr vielschichtig: Unwissenheit, Neid, Naturkatastrophen und Aberglaube bildeten wohl die häufigsten Ursachen.

Bereits 1586 wurde der Dieb David Schröder in Kalbe vor dem Alvenslebischen Gesamtgericht verhört. Er sagte aus, dass er die schwarze Kunst von Joachim Siepmann in Stendal erlernte und zwar Handlungen und Sprüche in aller Teufel Namen. Das Urteil im Verfahren ist nicht bekannt.

Auf dieser Homepage können Sie auch den Stadtplan von Kalbe aus dem Jahre 1700 betrachten(ein Auszug ist weiter unten wiedergegeben). Dort ist der Galgenberg bei Vahrholz – die Richtstätte der Kalbenser Burg - und auch das Scharfrichterhaus, in dem der Henker wohnte, zu erkennen.

Zu dieser Zeit lebte auf der Burg Kalbe Ludolf XIII. von Alvensleben (näheres zu ihm auf dieser Homepage unter Fam. von Alvensleben).

Im Alten Wachhaus auf der Burg befindet sich heute unser kleines Museum. Es wurde nach einem Brand 1584 neu erbaut. In einer Zelle sind noch heute Eisenringe zu erkennen an denen die Gefangenen angekettet waren. Es ist zu vermuten, dass zumindest zeitweilig auch die beiden als Hexen verurteilten Frauen hier inhaftiert waren.

hexenprozess


Überall in der Altmark wurden damals Anklagen gegen vermeintliche Zauberer und Hexen geführt (in ihrem Absatz Zauberei und Hexenwahn des oben genannten Buches nennt Lieselott Enders eine Vielzahl von Vorfällen und Verfahren). Aber nicht immer kam es zu einer Verurteilung, so 1609 in Karritz. Joachim Lemme, der Schulze von Karritz, wurde von seinem Nachbarn Hans Winnigke als Zauberer angeklagt. Er wollte ihn an den Pfahl zum Verbrennen bringen.
Joachim Lemme verwahrte sich gegen diese Beleidigungen. Der Gerichtsherr Wolf Köppen verhörte beide Männer und holte Belehrung bei der Juristenfakultät in Helmstedt ein. Im Ergebnis wurden die unterschiedlichen Aussagen an den Brandenburger Schöppenstuhl gesandt.
Für die Brandenburger Schöffen gab das eidliche Zeugnis des Schulzen Joachim Lemme den Ausschlag. Hans Winigke musste dem Schulzen christliche Abbitte leisten und die Verfahrenskosten erstatten. Dem Gerichtsherrn musste Hans Winigke eine Geldbuße zahlen.

Henning Krüger



Unterlagen zum Hexenprozess vom 10.Juli 1595

Meine ganz willigen Dienste zuvor, hochweise, ehrenfeste, achtbare und hochgelehrte, günstige Herren und besonders gute Freunde.

Euer Gnaden(1) mir zugeschicktem peinlichem Urteil und Rechtsspruch zu gebührlicher Folge habe ich die beiden gefangenen Weibsstücke hier gestern, Mittwoch, mit gelinder peinlicher scharfer Frage belegen lassen. Was sie nun beide und eine jede besonders darauf bekannt und ausgesagt, solches gebe ich Euer Gnaden aus beiverwahrten ihren unterschiedlichen Urgichten, bei denen sie noch bislang beständig geblieben sind, lesend zu vernehmen.

Und gelangt demnach hiermit an Euer Gnaden mein dienstfleißiges Bitten, dieselben wollen mich hierauf, durch ihren Rechtsspruch unbeschwert(2), belehren, was in diesem Fall rechtmäßig die für jede Person bestimmte Strafe sein möge, damit dieselbe an ihnen zur Erhaltung und Stärkung der heilsamen Justiz und Anderen zu hochnötiger Abscheu unterschiedlich vollstreckt werden könne. Hierin wollen sich Euer Gnaden unbeschwert günstig und willig erzeigen.

Das bin ich wiederum, über die Gebühr hinaus, die der Zeiger bei sich hat und richtigmachen soll, um Euer Gnaden mit Fleiß zu dienen, (3) willig und erbötig.

Gegeben auf dem Haus Calbe, den 10. Juli 1595.


Euer Gnaden williger
Matthias Lutterodt,
Befehlshaber daselbst.


hexenprozess
Auszug aus BLHA Rep 4 D Nr. 13 ff.


Urgicht und peinliche Aussage der Mette Bolte

Urgicht(4) und peinliche Aussage und Bekenntnis des gefangenen Weibstücks Mette Boltens im Beisein Arndt Buest Claus Gericken, beides Ratsverwandte, Claus Glupe, Voigt und Heinrich Otte Burgschließer, zu Calbe getan den 09.Juli 1595.

1) Bekennt, sie habe in der Jugend gedient, bisweilen, wenn sie nicht gedient, hat habe sie das Brot erbettelt. Zur Hure sei sie zwar etliche Mal gemacht, habe aber trotzdem Tuch und Schleier getragen.

2) Sie heiße Mette Berndes, dieweil sie aber einen kurzen Rock stets getragen und geschwind habe laufen können, hätten die Leute sie Mette Bolten genannt.

3) Drei Wochen nach Fastnacht 1594 hätte sie heimlich in Merten Schultzen Scheune zu Siechau gelegen, wo sie in der Dämmerung ein Kind, das ein Söhnlein war (nach dem sie drei Tage nacheinander zuvor abends und morgens jeweils 9 Löffel voll vom Sagebaum(5) und Singrunn (6), welches sie mit Couent(7) gekocht, und hernach Büchsenpulver und lebendiges Quecksilber hineingetan und getrunken(8)) zur Welt gebracht hat, dass lebendig gewesen ist. Dem hätte sie von Stund an, den rechten Daumen unter dem Kinn auf die Kehle gedrückt, davon ist es sofort totgeblieben und hätte es alsbald daselbst in der Scheune, nachdem sie es in ein Stück ihres Hemdes gewunden, in den „haw Taß“(9) unter einem Stein in der Erde verscharrt. Das Büchsenpulver habe sie einem Knecht, dem Bartholomäus Heinrichs zu Horst(10) aus der Pulverflasche genommen, das Quecksilber habe sie von Gardelegen aus der Apotheke durch Jacob Stodtmeister zu Miesterhorst mitbringen lassen, den Sagebaum habe sie der Stodtmeisterschen zu Miesterhorst heimlich genommen und den Singrun habe sie im Hof von Mertens Wese in Horst abgeflückt. Sie hätte auch gehofft, sie würde selbst davon sterben, aber weil sie sich sehr davon übergeben habe, daß es grün und gelb von ihr gegangen sei, wäre sie noch am Leben geblieben. Vielleicht hätte es ihr Gott nicht haben wollen. Solches hatte ihr die Stodtmeistersche Magd gelehrt und auch berichtet, dass sie es selber drei mal, als sie schwanger gewesen war, gebraucht hätte. Die Magd sei ungefähr vor 2 Jahren zu Mieste gestorben.

4) Vor neun Jahren um Ostern sei eine Frau, Sanna Bueters genannt (welche vor 6 Jahren neben ihrer Tochter vor Oebisfelde verbrannt wurde(11)) in Oebisfelde in der Roßmühle zu ihr gekommen und habe gesagt, wenn sie tun würde, wie sie es täte, so wollten sie sich beide gut nähren und hatte ihr drei Flitter Pfennige(12) gegeben und gesagt, dafür solle sie einen Buhlen kaufen, der sollte Johannes Teufel heißen. Dann ist acht Tage danach ein schwarzer Kerl des morgens in der Roßmühle zu ihr gekommen und hätte gesagt, die ihr die drei Pfennig gegeben, die hätte sie ihm dafür verkauft, daß sie sein Eigen sein sollte und müßte. Wenn sie nun solches nicht tun wolle, so wolle er ihr den Hals umdrehen, wie er sie dann auch um den Hals gefaßt, das es ganz blau davon geworden ist, darauf sie zu ihm Ja gesagt, sie wolle sein Eigen sein. Da hätte er von Stund an, wie auch bisher, seitdem(13) des Tags in der Wochen bisweilen ein- oder zweimal, (wie auch in der letztvergangenen Montagnacht im Gefängnis) mit ihr zu schaffen gehabt und Unzucht mit ihr getrieben. Er hätte auch zu ihr gesagt, sie solle diesmal noch nicht sterben, sondern wieder davonkommen. Als auch das peinliche Urteil angekommen ist, hätte er es ihr sofort zu wissen gegeben und gesagt, es werde kein gutes Urteil für sie, sie würde gepeinigt werden.

5) Vier Jahre lang habe sie mit ihrem Buhlen Johannes Teufel ohne Zauberei gebuhlt, ehe sie dieselbe gelernt habe, ungefähr vor 5 Jahren sei er zu ihr auf dem Wege nach Oebisfelde bei einem hohlen Eichbaum gekommen, habe mit ihr Unzucht getrieben und ihr danach vier Paar gute Hollen(14) (welches kleine lebendige Dinger, ungefähr so lang wie ein Fingerglied, auf dem Rücken grau wie richtige Knöchelchen, sogar scharf wie Zähne, gewesen sind) gegeben und gesagt, wenn sie die einem zubringen wollte, so sollte sie Wasser in aller Teufels Namen schöpfen und dasselbe einem vor die Tür oder auf die Weide gießen. Wenn dann jemand, der sie haben solle, zuerst darüber ginge oder ein Vieh, zum ersten mal davon fresse, der bekäme die guten Hollen. Und wenn sie sie dann wieder abtreiben sollte und wollte, so nehme sie Johanniskraut, Beifuß, Braunen doust (Staub), Nesseln, Flittern, das koche sie in fließendem Wasser, danach setze sie denjenigen, der die guten Hollen habe, ins Bad und bade sie damit. Wenn solches geschehen ist, nimmt sie eine Erbschere und segnet sie, indem sie sagt: „Die guten sollen zu mir kommen, die zu mir gehören und die nicht zu mir gehören, die sollen von mir fortbleiben, in aller Teufel Namen.“ Das müßte drei Donnerstage geschehen, dann kommen sie zu ihr, in ihre Arme Beine oder andere Glieder, so müßte sie sie solange überlisten mit baden und segnen, daß sie sie wieder in den Topf bekomme und wenn sie sie dann wieder ausgieße in seinem Namen, so wolle er es machen, daß sie derjenige, dem sie dieselben gönnt, auch bekommen solle.

6) Wenn ihr Buhle zu ihr kommt, so fragt er, ob sie auch noch so tue, was er sie gelehrt hat. Wenn sie dann „Ja“ sagt, so antwortet er wieder: „Das ist recht“, und hat dann mit ihr in Unzucht zu tun und bringt ihr dann mit Käse, Brot, Speck, Butter und andere Essenskost mit und wenn das Jahr um ist, so gibt er ihr drei Pfennige bisweilen habe er ihr auch wohl auf ihr Begehren, drei halbe und bisweilen vier halbe Groschen gebracht, aber immer dann nicht, wenn sie es dringend gebraucht hat.

7) Über die vorigen 4 Paar habe er ihr vor vier Jahren noch 2 Paar und dann vor 1 ½ Jahren 1 Paar gute Hollen gegeben. Die vier Paar habe sie einem weißen Pferde auf der Kleewiese, welche Kersten Krull im Tweiendörpe vor Oebisfelde gehörte, auf der Weide zugebracht, das daran gestorben ist. Und danach hatte sie ein braunes Pferd. Welches bei dem weißen Pferde auf der Weide gegangen und Claus Drewes Jacobs, auch in Tweiendörpe gehört, bekommen, das nach 3 Wochen auch daran gestorben ist, da hat sie ihr Buhle der Teufel wieder zu sich genommen. Die zwei Paar hat sie Claus Drewes Jacobs Söhnlein zu Tweiendorf vor vier Jahren beigebracht und wieder abgetrieben, der Junge lebe auch jetzt noch. Dieselben habe sie auch einem Pferd so Drewes Felcke in Niendorf vor Oebisfelde gehört, auf ihres Buhlen Begehren auf der Weide beigebracht, wo sie aber danach hingekommen sind und ob das Pferd davon gestorben ist, das wisse sie nicht. Das eine Paar habe sie vor 1 ½ Jahren einem jungen Knechte aus Grafhorst, Hans Möller genannt, in eine Kanne Bier, so sie heimlich in aller Teufel Namen zugetrunken hat, beigebracht, die haben ihn auch ganz ausgezehrt, bis in die Füße, und das er davon gestorben, das habe sie ihm darum angetan, weil er ihr ein viertel Jahr zuvor grundlos als er betrunken war, mit der Faust ans Ohr geschlagen hat.

8) Kurz vor Weihnachten 1593 habe sie auf emsiges Anhalten von Sanne Martfeld, der Schmiedischen zu Horst, zwei Padden (15) von denen ihr eine der Teufel des Abends wen man das Licht ansteckt, gebracht hat, die andere hat sie vom Zaunstaken aus dem Schafstall des Fricken Grust in Horst geholt, die habe sie zu Pulver gebrannt und in Brunnenwasser zugerichtet, und der Schmiedischen zugestellt, was sie ihrem Manne zweimal in einer Woche, nähmlich das erste Mal an einem Donnerstag in Milch, und das andere Mal an einem Sonntag in grünem Kohl gegeben hat. Und ihr Buhle hatte ihr Buhle gesagt, sie solle ihm einen Maiwurm(16) und Abgeschabtes von einem Menschenknochen mitgeben unter das gebrannte Paddenpulver, dann solle es ihm in 2 Jahren nicht schaden. Und hätte ihr Buhle ihr auch gesagt, am Dienstag im Fastnachabend in Horst, daß die Schmiedische ihrem Mann am Montag zuvor auch eine Padde, die sie zu Pulver gebrannt hatte, im Kohl gegeben haben soll, davon musste er sterben.

9) Nun, drei Jahre her, wie sie jedes Mal auf der Walpurgis Nacht auf dem Brockenberge zum Tanz gewesen und hätte ihr Buhle ihr stets des Abends zuvor eine Salbe gebracht, damit hat sie sich unter den Armen, in den Ellenbogen unterm Knie und auf den Knien, im Rücken und vorn auf dem Bauch, schmieren und sagen müssen, „wohl auf wohl an, und nirgends an“ und wenn sie sich geschmiert und so gesagt hätte, so wäre sie oben zum Giebel hinausgefahren, und wäre auf ein schwarzes Pferd, das weiße Zähne gehabt hat zu reiten gekommen, und durch die Luft auf den Brockenberg gekommen, dann getanzt und wenn der Tanz vorbei gewesen ist, hätten sie Butter u nd Käse, die der oberste Teufel, den sie Se… Jürgen genannt haben, mitgebracht hatte, gegessen und aus einem Teich , der mitten auf dem Brockenberg sein soll, getrunken, was in der Nacht reiner Wein und sonst reines Wasser sei. Danach gegen Mitternacht habe ihr Buhle ihr und auch einer jeden seiner Bräute, wie auch die anderen ein jeder seinen Bräuten drei Pfennige zum Lohne gegeben und wenn das geschehen sei, wären sie dann alsbald wieder davon gefahren, so daß sie Schlag eins in der Nacht wieder zu Hause sein konnten.

10) Ihr Buhle buhle noch mit der Paschen Grabauischen aus Bergfrieden, Sannen Bowings in Neuendorf, der Meister Vitzischen, einer Hutmacherin auch daselbst und der Mallinschen in Neuendorf, welche nun gestorben, das habe ihr ihr Buhle ihr selbst gesagt.


hexenprozess
Auszug aus L 5421-061, Schmettau Karte, Landesvermessung Brandenburg



Urgicht und peinliche Aussage der Sanna Martfeld

Sanna Martfeldes Urgicht und peinliche Aussage und Bekenntnis, die sie im Beisein oben genannter Personen am genannten Tage dieses 1595 Jahres, getan hat.


1) Sie habe ihrem Manne die Padden, die ihr Mette Bolten auf ihr emsiges Anhalten zugerichtet, damit sie ihren Mann damit vergiften kann (weil er sie stets so übel geschlagen hat), vor 2 Jahren, kurz vor Weihnachten, in Kohl und in Milch gegeben.

2) Weil nun solches nicht helfen wollte, hätte sie in der nächst vergangenen Fastnacht ihrem Mann 2 Padden in Butter gebraten zu fressen gegeben, der Meinung, daß er davon sterben würde.

3) Die alte Gödische, die in Drossesdorf vor Oebisfelde gewohnt hat, habe sie vor drei Jahren dem Simon- und Judas Markt(17) zu Oebisfelde zaubern gelehrt (wofür sie ihr 3 Ellen Leinwand gegeben hat), nämlich auf diese Art. Wenn sie Leuten vergiften wolle, so solle sie nehmen Padden und die Achter Geburt, wenn die Kühe zum ersten Mal kalben, das solle sie zu Pulver brennen, in Butter braten und mit Fliegenpulver und Honig vermischt einem beibringen und eingeben, dann müßte er davon sterben, das hätte sie auch ihrem Mann im nächsten Fastelabend gegeben, sonst hätte sie niemandem vergiftet.

4) Sie habe auch einen Buhlen, der heiße Joachim Albrecht, den habe ihr die alte Gödische zugewiesen, am dritten Tag, nachdem sie ihr das Zaubern gelehrt hatte. Da war er in eines kleinen schwarzen Hundleins Gestalt, in des Krügers Scheune zu Miesterhorst zu ihr gekommen und hätte gesagt, wenn sie nicht sein Eigen sein wollte, so wollte er ihr den Kopf umdrehen. Des dritten Tages danach am Abend sei er in der Scheune wieder zu ihr gekommen und hätte weiter gefragt, ob sie noch sein Eigen sein wolle, darauf sie Ja gesagt, da hätte er geantwortet, wenn sie bei ihm schlafen wollte, so wollte er ihr ein Stück Gold geben, das sollte sie beilegen, so sollte ihr, so lange sie es behalten würde, kein Übel wiederfahren, sie befinde es aber jetzt leider viel anders. Und er wolle mit ihr tun und zu schaffen haben, wie ihr Mann es täte, was auch geschehen ist, und ihr Buhle hätteseit diesen drei Jahre wöchentlich ein- oder dreimal in Unzucht mit ihr zu tun gehabt.

5) In den nächsten verschiedenen Ernten habe sie neben Grete Boltens, einer Magd die auch bei Danies Meier gedient hat, desselben Dannies Meiers Tochter zu Horst, die ungefähr 6 Jahre alt gewesen ist, 5 Paar gute Hollen zugewiesen, die das Kind in einem viertel Jahr ganz aufgezehret haben, so daß es davon gestorben ist. Die Hollen hatte sie auf Bericht des Krödenhängers, ihres Buhlen, unter ihrem Fliederbusch bekommen, es waren kleine blaue Dingerchen gewesen, wie Pilwürmer(18), die hätte sie dem Mädchen in Milch zu fressen gegeben.

6) Des Donnerstags in der nächsten Fastnacht habe sie auch ihrem Mann zwei Paar gute Hollen in dicker Milch eingegeben, die sind ihm im Leibe und zehren und martern ihn aus, und weil sie sie nicht wieder abtreiben könne, so mußte er davon sterben. Ihr Buhle hätte ihr auch gesagt, die Dinger kriegten im Leibe kleine Klauen, damit rissen und plagten sie so die Leute und zehrten sie endlich ganz aus, und ihr Mann sollte nun von morgen, Donnerstag, an zurechnen noch acht Tage leben, solches hätte ihr Buhle gesagt und berichtet.

7) Vor 2 Jahren habe sie zwei Pferden von Michael Hoier zu Horst 10 Paar gute Hollen im Trinken zugewiesen und beigebracht, die dieselben dermaßen ausgezehrt haben, daß sie nach 5 Wochen davon sterben mußten.

8) 2 Pferden ihres Manne habe sie gegen Weihnachten letzten Jahres auch 10 Paar gute Hollen im Trinken zugewiesen, welche in der 7. Woche danach gestorben sind, und das hätte sie darum getan, weil ihr Mann diese beiden Pferde seinem Bruder geben und schenken wollte.

9) Auf Simonis und Judae 1592 habe sie der Kuh von Fricke Grust zu Horst 2 Paar gute Hollen im Trinken zugewiesen und beigebracht, davon ist sie 5 Wochen danach gestorben.

10) Die guten Hollen habe sie alle miteinander unter ihrem Fliederbusch bekommen, und zwar so: Sie wäre unter ihren Fliederbusch gegangen in aller Teufel Namen, und ihr Buhle hatte zu ihr gesagt, wenn er nicht bei ihr sei, so wäre er darunter, sie solle so und so viel Paar gute Hollen nehmen, so viel sie haben wolle. Und es wären kleine rote rauhe Dinger gewesen, wie Pilwürmer, die hätten unterm Fliederbusch gelegen, davon hätte sie nehmen müssen, so viel sie haben wolle, und dieselben in einen Eimer voll Quellwasser geben, und ein Wachslicht, welches sie von ungetaufter Kinder Därmen, die ihr ihr Buhle, der Krödenhänger gebracht, gemacht hat, nehmen und anstecken müssen, das es unter sich gebrannt hat und wäre dann ganz blau heruntergetropf und so viel Hollen, wie im Eimer gewesen sind. So viele blaue Tropfen hätte sie auch vom Licht in den Eimer fallen lassen müssen, die wären ihnen dann auf den Rücken kommen wie ein Roff(19), damit, wenn sie einem beigebracht werden, umso besser und größer in Mensch und Vieh wachsen und die Leute umso eher ausgemergelt und ausgezehrt werden können.

11) Ihr Buhle buhle auch mit Heine Konigs Frau in Mieste und mit der alten Gödischen in Droßeldorf, was ihr ihr Buhle selbst berichtet hat.

12) Ihr Buhle hätte ihr auch zum Jahr gesagt, daß die Heine Könnigsche zu Mieste auch zaubern könne mit buttern und anderem, aber gute Hollen zuweisen und vergiften, das möchte sie wohl nicht können.

Antwort des Brandenburger Schöffenstuhls

Weil ihr uns der nachbenannten gefangenen Weiber getane Urgicht übersandt habt, damit wir befinden, was zu Recht zu erkennen ist. Demnach usw,„Sprecher“(20) usw. hat Mette Bolten in mäßiger Pein bekannt und gestanden, das sie drei Wochen nach Fastnacht im Jahre 1594 in der Scheune von Merten Schultze in Sichau ihre Frucht abgetrieben hat, und als die lebendig zur Welt geboren und ein Knäblein gewesen ist, hat sie dasselbe vorsätzlich ermordet und daselbst im „haw Taß“ verscharrt. Weiterhin hat sie mit dem Teufel unmenschliche Gemeinschaft und ein Verbündnis gehabt, auch Sanna Mardfeld Gift, um ihren Mann zu vergiften, zubereitet. Da hat dann auch Sanna Mardfeld ebenso in mäßiger Pein bekannt und gestanden, daß sie das von Mette Bolten zubereitete Gift, nach dem sie sich mit dem bösen Feind auch in Verbündnis und abscheuliche vielfältige Gemeinschaft eingelassen gehabt und viel Böses begangen hat, ihren Mann vor 2 Jahren vor Weihnachten in Kohl und Milch eingegeben hat, damit er daran stirbt. Als aber solches nicht wirken wollte, hat sie demselben in der nächst vergangener Fastnacht zum zweiten und ferner zum dritten Mal und endlich Donnerstags im vergangenen Fastelabend, als er hiervon auch nicht sterben wollte, ihm nochmals Gift in dicker Milch eingegeben, die ihn martern und verzehren sollte. Weiterhin hat sie gemeinsam mit Dannieß Meiers Magd in Horst, die Tochter des genannten Danies Meiers, die etwa sechs Jahre alt gewesen ist , mit zauberischen Gift in Milch vergiftet, woran sie in einem viertel Jahr gestorben ist. Sonst hat sie auch ihrem Mann und Michael Hoier 4 Pferde vergiftet. Alles nach dem Inhalt ihrer getanen und uns zugefertigten Urgicht.

Urteil

Sofern nun ein Jede bei ihren getanen Bekenntnis vor dem Peinlichen Halsgerichte beständiglich verharren werde So mag Sanna Mardfeldes auf einem Wagen bis zur Richtstätte öffentlich gefahren.
Der Leib mit zwei Zangengriffen gerissen und als dann neben und mit der Mette Bolten mit dem Feuer vom Leben zum Tode gerichtet werden.
Alles von Rechts wegen.


galgenbergstr
Noch heute existiert im kalbenser Ortsteil Vahrholz eine Galgenbergstraße


Erläuterungen:

(1) Nicht „Gnaden“, sondern eine andere Anredeform. Sieht aus wie „Gunsten“, aber das kann nicht genau entziffert werden.

(2) Sie sollen also auf Grundlage der beigefügten Aussagen entscheiden, ohne auf den zuvor bereits erteilten Rechtsspruch (der im ersten Satz erwähnt wurde) Rücksicht zu nehmen.

(3) So viel wie „Bote“, Überbringer der Unterlagen und der an den Schöffenstuhl zu bezahlenden Gerichtsgebühren.

(4) Als Urgicht oder gichtiger Mund bezeichnet man das Geständnis als Verfahrenselement der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gerichtsbarkeit. Die Urgicht im engeren Sinn war die Wiederholung beziehungsweise Bestätigung eines zunächst nur unter Folter hervorgebrachten Geständnisses durch den Angeklagten.

(5) Wacholder

(6) „Singrün“, das Kleine Immergrün (Vinca minor).

(7) Dünnbier bzw. ein aus dem zweiten Sud gebrautes Nachbier.

(8) Anscheinend ein Rezept für ein Abtreibungsmittel, das aber erfolglos blieb.

(9) „haw Taß“ nach Frank Moldenhauer haw=Heu, Tass=Bereich in der Scheune, in dem Heu verwahrt wurde.

(10) Der Ortsname „Horst“ kommt häufig vor – handelt es sich evtl. um Miesterhorst oder um Buchhorst? müßte noch geklärt werden.

(11) Also ein Beleg für eine (bislang wohl unbekannte) weitere Hexenverbrennung 1589 in Oebisfelde.

(12) Bezeichnung für wertloses Geld, entweder für Brakteaten aus älterer Zeit oder für kupferne Scheidemünzen der Frühneuzeit.

(13) Im Original „sieder“ – nach Matthias Lexers „Mittelhochdeutschem Taschenwörterbuch“ bedeutet „sider“ in adverbialem Gebrauch etwa: hernach, später, seither, seitdem.

(14) „Hollen“ wird gelegentlich von „Holden“ (im Sinne von Geistern) abgeleitet, hier ist aber eher an eine Art Würmer gedacht, die im Körper von Mensch und Tier Krankheiten und Schmerzen auslösen können.

(15) Padden auch Kröten als berüchtigtes Hexen- und Zaubertier

(16) Vielleicht einen Engerling, die Larve des Maikäfers.

(17) Der Tag der Heiligen Simon und Judas war der 28. Oktober – war dieser Simon- und Judas-Markt in Oebisfelde ein regelmäßiger Jahrmarkt wie der Dionysius-Markt in Salzwedel am 9. Oktober? Behrends nennt in seiner Geschichte des Amts Oebisfelde von 1798 in Oebisfeld 5 Jahrmärkte, aber keinen am 28. Oktober – immerhin könnte sich in über 200 Jahren einiges geändert haben.

(18) Bei den Beschreibungen: „blau“, „wie ein Fingerglied“ könnte man an Insektenlarven denken, die z. T. (als Schutz vor Freßfeinden) grell gefärbt und giftig sind.

(19) Roff – nicht geklärt, evt. Ausschlag o.s.ä.

(20) Die Antwort des Brandenburger Schöffenstuhls ist nur als Konzept überliefert, d. h. häufiger verwendete Formeln wurden abgekürzt vermerkt

 
 
 
 
 
   
  
 

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