Geschichten über Kalbe Milde
 

 


 

 

 
Die städtische Verfassung nach dem 30jährigen Kriege

Nur langsam erholte sich das Land von den Zerstörungen des Krieges. Die kurfürstliche Regierung strebte grundlegende Reformen an, die die Sicherheit und eine zunehmende Stabilität des Landes gewährleisten sollten. Insbesondere um zwei Forderungen des Großen Kurfürsten ging die innenpolitische Auseinandersetzung nach dem Kriege. Zunächst forderte der Kurfürst ein stehendes Herr auch in Friedenszeiten, da Brandenburg von hochgerüsteten Großmächten (Schweden, Frankreich, die kaiserlichen Länder) umgeben war. Dagegen wandten sich die Landstände (Städte und Adel) mit aller Energie, forderten sie doch eine vollständige Abrüstung und Rückkehr zur Neutralitätspolitik. Schon bei Beginn des 30jährigen Krieges hatte sich der Versuch, das Land neutral zu halten, als folgenschwerer Fehler erwiesen. Nach dem Kriege waren die Spannungen durchaus nicht geringer geworden. Nur unter großen Zugeständnissen an den Adel hinsichtlich seiner Privilegien (Erbuntertänigkeit der Bauern u.a.), gelang es dem Kurfürsten, seine Pläne bezüglich der Landesverteidigung durchzusetzen.

Ein stehendes Heer und der Wiederaufbau im Lande an Straßen, Brücken, Deichen, Flußläufen, Gräben usw. erforderten Geld, viel Geld. Die kurfürstliche Regierung strebte daher eine grundlegende Steuerreform an. War das bisherige Steueraufkommen eine mehr oder weniger gleichbleibende Summe, die durch besondere Bewilligungen der Landstände, um die der Landesherr bitten musste, aufgestockt werden konnte, so wurde nun eine Besteuerung angestrebt, die bei wachsendem Einkommen mehr Geld in die Staatskasse brachte. Man nannte diese dynamische Besteuerung: Akzise. Die Akzise war ein Bündel von verschiedenen Steuern (Verbrauchssteuer, Gewerbesteuer, Importsteuer usw.), die den Vorteil hatte, dass bei zunehmenden Handel und Wandel ein kontinuierlicher Zufluß an Steuern in die Akzisekassen erfolgte. Wir können uns heute die Einnnahmen eines Staates ohne eine solche dynamische Besteuerung überhaupt nicht mehr vorstellen, für die Zeit nach dem 30jährigen Kriege waren solche Pläne revolutionierend. Teile der Landstände, insbesondere der Adel, lehnten diese Steuerreform rundweg ab, vermuteten sie doch, dass dadurch die Landesherrschaft gegenüber den Landständen zu einem zunehmenden Einfluß gelangen könnte. Diese Entwicklung ist dann auch tatsächlich in Brandenburg/Preußen eingetreten. Am ehesten waren noch die durch den Krieg vollständig ruinierten Städte für die Pläne des Kurfürsten zu gewinnen, versprachen sie sich doch dadurch ihre ehemalige Wohlhabenheit wieder zu erreichen. Während man also auf dem "platten Lande" an den alten Formen der Besteuerung festhielt, wurde in den Städten die Akzise eingeführt. Es kam zu Entwicklungen, die auch in einer kleinen Stadtgemeinde wie Kalbe zu nachhaltigen Veränderungen führte. Um die Akziseleistung der Städte zu vermehren, wurde ein Handwerksverbot für das "platte Land" ausgesprochen. Verschiedene Gewerbe (Schneider, Schuster, Leinweber, Tuchmacher, Brauer u.a.) durften nur in den Städten betrieben werden. Am Ausgang des 17. Jahrhunderts hatte Kalbe weniger als 600 Einwohner, aber 11 Schneider, 11 Schuster, 11 Leinweber. Durch das Handwerksverbot für das "platte Land" war die Landbevölkerung gezwungen, ihren diesbezüglichen Konsum in den Städten zu befriedigen. Das führte zur Steigerung der Umsätze in den Städten und damit zu höheren Akziseinnahmen. Funktionieren konnte dieses Steuersystem aber nur, wenn es zu einer kontrollierten Abgrenzung zwischen Stadt und Land kam. Hier spielten nun die Stadttore eine entscheidende Rolle. Kalbe hat zwei Stadttore besessen, das Salzwedeler Tor am Nordausgang der Stadt und das Gardelegener Tor im Süden. Auffallend ist, dass bis ins 18. Jahrhundert hinein die Tore und die Torhäuser immer wieder instand gehalten wurden. Die Tore hatten die Schutzfunktion früherer Zeiten längst verloren, war doch bei der Waffentechnik des 17. und 18. Jahrhunderts für einen eventuellen Angreifer ein Holztor überhaupt kein Hindernis mehr. Sie waren zu Kontrollstellen geworden, um die Durchführung der Akziseverordnungen zu gewährleisten. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts tritt ein ganz neuer Beruf in Erscheinung, nämlich der des Torschreibers, der die entsprechenden Abgaben zu erheben hatte. Es ist auffällig, dass die Bürgermeister der damaligen Zeit zugleich "Einnehmer" waren, d.h. Verwalter der örtlichen Akzisekasse.

Auch eine andere organisatorische Maßnahme stammte aus der Zeit in der die Akzise eingeführt wurde. Die Bewohner der beiden Vorwerke wurden bis in 19. Jahrhundert nicht zu den Einwohnern der Stadt gezählt, sondern bei dem "platten Lande" mit aufgeführt.

Das hatte seinen Grund eben in der verschiedenartigen Besteuerung von Stadt und Land. Z.B. hatte die Stadt im Jahre 1801 805 Einwohner, die beiden Vorwerke zusammen 184 Einwohner.


entnommen der Chronik von Pfarrer Schneider 1000 Jahre Kalbe (Milde).

 
 
 
 
 
   
  
 

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