Geschichten über Kalbe Milde
 

 



 

 

 
Chor Euterpe

Der Chor "Euterpe" existiert heute nicht mehr, seit März 1995 ruht die Arbeit. Mit der nachfolgenden Chronik aus dem Jahre 1984 liefert W. Denck ein beredtes Zeugnis der Geschichte des Chores.
Vielleicht verleitet der Artikel dazu, aus der neueren oder älteren Zeit der Geschichte des Chores Material zusammenzutragen.

Chronik, des "Gemischten Chores Euterpe“

Am 2. Juni 1884 erfolgte die Gründung einer „Gesangs- und Unterhaltungsvereinigung" durch 14 Gründungsmitglieder. Der Verein umfasste 26 Mitglieder, sein erster Dirigent war August Wagner. Über den ersten Vorsitzenden ist nichts bekannt. Vorhandene Protokolle aus den Jahren 1904-1921 sagen aus, dass Gärtnermeister Ziemann lange Zeit als verdienstvoller 1. Vorsitzender tätig war.
Die Abstimmung über Aufnahme oder Ablehnung neuer Mitglieder erfolgte durch Abgabe schwarzer oder roter Kugeln. Schon in den ersten Jahren seines Bestehens pflegte der Gesangs-und Unterhaltungsverein das alte Liedgut, veranstaltete Sängerfeste und "Lustpartien“. Der Gewohnheit der damaligen Zeit entsprechend wurden unter reger Anteilnahme aller Mitglieder kleine Theaterstücke aufgeführt, und der Verein fuhr zu Sängertreffen in die benachbarten Orte. Andererseits aber empfing der Chor, damals noch reiner Männerchor, auch oft auswärtige Chöre zu gemeinsamem Singen und friedlichem Sängerwettstreit. So konnte er zu seinem 25-jährigen Jubiläum im Mai 1909 schon 14 Gastchöre begrüßen. Ab 1919 stand der Chor unter der musikalischen Leitung des Musikdirektors Fritz Schulz. alten Kalbensern noch bekannt unter der Bezeichnung „Fritze Oelschulz“.

Jäh unterbrochen wurde die Tätigkeit friedlichen Singens durch den 1. Weltkrieg. Die letzte General-Versammlung fand am 6.5.1914 statt, die erste danach am 17.11.1919, und die erste Singestunde wurde am 24.11.1919, wieder unter der Stabführung des Dirigenten Schulz durchgeführt. Vorsitzender wurde am 12.2.1920 Herr Uhrmachermeister Hugo Hensel, der dieses Amt bis 1932 inne hatte.
Am 18. und. 19.5.1924 beging der Verein sein 40.jähriges Bestehen unter Anteilnahme von 18 Gastchören. So wurde erneut die Verbundenheit mit den benachbarten Chören und Singege¬meinschaften bewiesen, die im friedlichen Wettstreit ihre Kräfte messen und Erfahrungen austauschen konnten.
Nach 12-jähriger verdienstvol1er Arbeit gab Sangesfreund Hensel Ende 1932 seinen Posten als 1. Vorsitzender ab, den für kurze Zeit der Kaufmann Wilhelm Finger übernahm, bis er 1934 durch Herrn Seilermeister Wilhelm Schulze, unseren Ehren -Vorsitzenden abgelöst wurde. Sangesfreund Schulze hatte dieses Amt bis 1939 inne, mit ihm verbindet den Chor noch heute eine echte und innige Freundschaft. Er nimmt rege und interessiert an allem chorischen Geschehen Anteil und steht auch dann, wenn es not tut, noch gern helfend und beratend zur Seite.
Wie in so vielen Bereichen erfolgten 1933 auch im rein kulturellen Leben tiefgreifende Einschnitte. Mit der sog. “Gleichschaltung" sollten die in Calbe bestehenden 3 Chöre in einem Chor zusammengefasst werden, was jedoch auf heftigen Widerstand seitens der Sänger stieß. So blieb der "Gemischte Chor Lübecksche Liedertafel" bestehen, während der Chor Euterpe lt. Beschluss der Versammlung am 19.10.1933 die Mitglieder des "Männergesangvereins 1900" aufnahm und weiterhin als Männerchor sein Singen fortführte.

Sein 50. Stiftungsfest beging der Chor am 6.5.1934. Aus diesem Anlass wurde er für die Pflege des Liedgutes mit der "Carl-Friedrieh-Zelter Plakette in Bronze ausgezeichnet. Danach folgte eine Zeit nur geringer sängerischer Betätigung, da kein geeigneter Chorleiter vorhanden war.
Am 3.11.1937 übernahm jedoch Herr Willi Paland, Lehrer in Karritz, die Dirigententätigkeit die er zunächst bis zur durch den Beginn des 2. Weltkrieges herbeigeführten Zwangspause ausübte. Der Chor war zunächst dem "Elbhavel-Sängerbund" angeschlossen, der dann 1933 in den "Deutschen Sängerbund" aufging. Wie durch den ersten, so wurde auch durch den zweiten Weltkrieg dem kulturellen Schaffen und geselligen Leben ein bitteres Ende bereitet. Aber nach den Jahren der Entbehrungen und Ängste ums tägliche Überleben und Brot regte sich allenthalben der Wunsch nach friedlichem Dasein, nach geistig-kultureller Betätigung, geselligem Beisammensein, Gesang und neuer Lebensfreude. So konnte am 30.5.1948 das Singen wieder aufgenommen werden. Das Gründungs-Protokoll erwähnt 28 Männer; Friseurmeister Wilhelm Krause übernahm das Amt des 1. Vorsitzenden bis 1954, Musikmeister Hermannn Kricheldorf leitete als Dirigent den Chor bis Mai 1950. Bei den Felerlichkeiten anläßlich des 65-jährigen Bestehens im Jahre 1949 erfolgte die Umprofilierung des Männerchores in einen „Gemischten Chor Euterpe“. Er stand ab 7.6.1950 mit ca. 70 aktiven Mitgliedern unter der Stabführung seines verdienstvollen, unvergessenen Dirigenten Willi Paland. Unter seiner Tätigkeit erreichte der Chor eine seiner Glanzzeiten, sowohl was die Mitgliederzahl als auch das künstlerische Niveau angeht. Aus der Vielzahl der anspruchsvollen Vorträge und Veranstaltungen seien nur einige erwähnt;

14.7.1951: 1.öffentl. Konzert für die Weltfestspiele Berlin, 22.6.1952: Lieder-Abend "Deutsche Meister"
6.10.1952: Teilnahme am 1.soz. Volksfest in Gardelegen mit anschließendem Singen im Kreiskrankenhaus
28.11.1952: Chor-Orchester-Konzert mit dem Kulturorchester Salzwedel mit Werken von Franz Schubert
1954 Teilnahme am Bezirksausscheid in Magdeburg und Feier des 70jährigen Bestehens des Chores, zu dem 15 Chöre mit über 600 Sängerinnen und Sängern er¬schienen waren und Kalbe in eine singende, klingende Stadt verwandelten.
23.4.1955; Frühlingskonzert (u.a. Jahreszeiten)
9.6.1956: Mozart - Schumann - Abend.

Dazwischen lagen noch Teilnahme an Sängerfesten, Auftritte zum 1.5., 7.10., zu Rentnerweihnachtsfelern usw.. In dieser Zeit, und zwar von 1954 bis 1957 war Sangesfreund Hellmut Klaus 1. Vorsitzender, ab März 1958 bis Januar 1973 übte Sangesfreund Heinz Sturm dieses Amt aus. Beide Sangesfreunde erwarben sich große Verdienste um den Chor und waren durch ihren Fleiß und ihre Tatkraft Vorbild für jeden einzel¬nen. Ende 1957 musste Siegfried Paland aus gesundheitlichen Grün¬den die Dirigententätigkeit aufgeben. Nach langer Krankheit verließ er uns am 3.6.1958 für immer, tief ergriffen begleitete der Chor seinen verdienstvollen, allseitig beliebten und ge¬achteten Dirigenten am 5.Juni auf seinem letzten Weg. Dankenswerterweise übernahm Sangesfreund Walter Jennrich die musikalische Leitung des Chores, bis ab Sept. 1957 Herr Hans Kleebaum aus Salzwedel für kurze Zeit als Chorleiter tätig war. Trotz aller Bemühungen gelang es vorerst nicht, einen Dirigenten zu finden, de r die musikalische Leitung wieder ständig übernehmen konnte. Der Chor sang zwar noch weiter, aber eine zielstrebige Arbeit konnte infolge des mehrfachen Dirigentenwechsels nicht aufkommen. Nur einen Höhepunkt,in den Jahren 1958-63 gab es noch einmal durch die Mitwirkung an 3 Aufführungen der I. Sinfonie von Beethoven in Kalbe, Stendal und Salzwedel mit dem Theater der Altmark Stendal.
So wurde von allen sangesfreudige Angehörigen des Chores mit großer Begeisterung ein echter Neubeginn begrüßt, als der Musiklehrer Wilh. Krahnert am 20.8.1963 seine Dirigententätigkeit aufnahm, und die 48 aktiven Mitglieder nun wieder regelmäßig üben konnten. Zu seinen großen Verdienten zählt es, dass der Chor zur Jugendweihe am 20.3.1964 erstmals wieder öffentlich auftreten konnte. Am 20.3.1965 wurde mit dem Konzertorchester Stendal mit einem anspruchs- und niveauvollen Programm ein kultureller Höhepunkt gesetzt. Ein dankbares Publikum spendete solchen Werken wie dem „Ave verum" (Mozart), Chören aus „Nabucco" und "Troubadour", aber auch a capella gesungenen Chören "Auf dem See“, "Abschied vom Walde" u.a. viel Beifall, wahrlich der schönste Lohn für Mühe und Fleiß.
Leider dauerte die Tätigkeit des Sangesfreundes Krahnert nur bis Juni 1965, er verließ Kalbe aus beruflichen Gründen. An seiner Stelle übernahm Herr Bruno Danker am 1.9.1965 den Dirigentenstab. Er verstand es sofort, das bisher Erreichte weiter zu entwickeln, auszubauen und dem Chor durch seine Tüchtigkeit und Fähigkeit neue Impulse zu geben. So kam es wieder zu erneuten Höhepunkten im künstlerischem Schaffen, und der Chor konnte am 2.4.1966 ein erstes Chor-Ochester-Konzert unter Leitung des Sangesfreundes Danker mit Werken von Händel Haydn Strauß u.a. geben. Das gewachsene Leistungsniveau fand seine Anerkennung 1967 mit dem Prädikat "Mittelstufe gut" und 1973 „Qualitätsstufe Oberstufe". Beteiligung an Sängertreffen in Nachbarorten, Mitwirkung an Festveranstaltungen wie z.B. dem 50. Jahrestag der Oktober Revolution am 6.10.1957 den Jahrestagen der DDR usw., aber auch Beteiligung an kreislichen und bezirklichen Leistungsvergleich zeugen von der Vielfalt und Vielseitigkeit, mit welcher der verdienstvolle und rührige Sangesfreund Danker den Chor zu immer höheren Leistungen führte, welche durch vielfache Auszeichnungen anerkannt und belohnt wurden. So erfolgten u.a. Auszeichnungen:

1974 "hervorragendes Volkskunstkollektiv"
1975 Medaille "Ausgezeichnetes Volkskunstkollektiv der DDR
1977-1985 5 mal „Kollektiv der DSF“ mit Verleihung der Ehrenspange am 30.6.1982

Zahlreiche Urkunden für hervorragende Leistungen im soz. Wettbewerb, vorbildliche Kulturarbeit, Mitwirkung bei der Vorbereitung und Durchführung der 1000-Jahr-Feier der Stadt Kalbe, Verleihung der Ehrenschleife der Kreisleitung der SED, usw. zeugen ebenfalls vom Fleiß und selbstlosen Einsatz des Chores, der sich neben der Pflege des alten Liedgutes verstärkt auch dem Schaffen zeitgenössischer Meister widmete.
Sie sind ein Spiegelbild der Tätigkeit auch des Dirigenten und der hohen Einsatzbereitschaft aller Sängerinnen und Sänger, denen manchmal schier Unmögliches abverlangt wurde. Aber Freude am Gesang und das Bewußtsein, mit ihm den Mitmenschen Freude und Kraft zu geben, ließen bald alle Mühsal vergessen. Vergessen darf aber nicht werden, mit wieviel Arbeit und oft unter persönlichen Opfern der 1. Vors, seit 1973, Sangesfreund Ulrich Graf, die Geschicke des Chores leitet, tatkräftig unterstützt von seinem Stellvertreter und dem ,gesamten Vorstand.
Vergessen werden darf aber auch nicht die jahrelange, enge und freundschaftliche Zusammenarbeit mit dem Männerchor Jeetze. Gemeinsame Konzerte, friedliches Miteinandersingen und gegenseitige Besuche und Zusammenkünfte knüpften freundschaftliche Bande und führten zu schönen, unvergessenen Stunden. In guter Erinnerung dürften auch bei allen Beteiligten die beiden Auftritte des Chores bei den sowjetischen Freunden in Staats 1976 und 1979 sein; ein solch zahlreiches und dankbares Publikum hatte der Chor noch nie, großer Beifall und eine herzliche Gastfreundschaft waren schönster Lohn. Nur wenige Monate nach seinen 60. Geburtstag, verstarb an 5. Aug.-1983, ganz plötzlich unser Dirigent, unser aller Sangesfreund Bruno Danker. Mit ihm verlor der Chor einen musikalischen Leiter, der durch seine Energie und Ausstrahlungskraft den Chor erneut zu Höchstleistungen führte. Mit einem Repertoire von ca. 120 Titeln alter und neuer Komponisten verfügt der Chor über einen reichen Schatz, aus dem zu allen Gelegenheiten geschöpft werden kann. Es ist aber das Anliegen des neuen Dirigenten, des Sangesfreundes Rodzis nicht nur darauf aufzubauen, sondern auch Neues zu bringen, einzuüben und so die Möglichkeit zu haben, vielen Menschen durch den Gesang Freude zu bereiten.

Durch den Gesang Freude zu bereiten, ja, sie vielleicht anzuregen selbst mitzumachen. Es kann nicht das Anliegen dieser Chronik sein, die 100-jährige Geschichte des Chores bis in alle Einzelheiten dazulegen. Sie wäre aber unvollständig, wollte man nicht doch nochmals die enge Verbundenheit der Chormitglieder untereinander hervorzuheben sowie die freundschaftlichen Beziehungen zu anderen Chören. Etwa zwanzigmal beteiligte sich der Chor "Euterpe seit 1973 am Sängertreffen in Jeetze, Meßdorf, Dolle, Bismark und anderen Orten. Ermöglicht wurden die Farten vor allem durch den VEB Kreisbetrieb für Landtechnik Kalbe (Milde), mit welchem im Juli 1976 ein Patenschaftsvertrag bzw. eine Trägerschaftsvereinbarung abgeschlossen wurde. Für diese Unter¬stützung ist der Chor dem KFL sehr dankbar, wie auch dem Kreisvorstand des FDGB, dem Rat des Kreises Abt. Kultur und dem Rat der Stadt Kalbe (Milde) für die mehrfachen finanziellen Unterstützungen.

"Unser Lied dient dem Frieden“

Diese Worte leuchteten uns mehrmals bei Sängertreffen entgegen und auch der "Gemischte Chor Euterpe" will mit seinen Mitteln dazu beitragen, dass Mitwirkende wie auch Zuhörer aus dem Gesang Kraft schöpfen für die Meisterung der täglichen Anforderungen, die an uns gestellt werden und deren oberstes und höchstes Ziel es ist, den Frieden zu wahren. In diesem Sinne geht der Chor zuversichtlich und mutig in sein nächstes Jahrhundert gewiß, dass es auch dann noch heißen wird:

"Wo man singt, da laß dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.“

Ein Foto aus dem Jahre 1984

Mitglieder des Chores 1984

Chorleiter: Rainer Rodzis, Vorsitzender: Ulrich Graf, Stellvertreter: Siegfried Behrend

Sopran
Ingrid Albrecht
Brigitte Burtzlaff
Regina Benecke
Bärbel Beneke
Gertrud Drawehn
Heidelore Eichenberg
Jutta Garz
Elke Götze
Veronika Graf
Marianne Haak
Gertrud Hesse
Christel Kanapin
Maria Koralewski
Renate Mattmann
Käte Pluschke
Regina Schmidt
Elisabeth Schumann
Karin Schwarzer
Gisela Volkmer
Elfi Weinberg

Alt
Leni Dohse
Irmgard Falk
Thea Koetzing
Grete Müller
Käte Ritzmann
Ingeborg Ruth
Eva-Maria Schulze
Elisabeth Wilkening
Tenor
Kurt Ahrend
Siegfried Behrend
Martin Friedrichs
Ulrich Graf
Arthur Koralewski
Ernst Köwitsch
Wilhelm Muthmann
Wilhelm Plater
Heinz Sturm
Uwe Szabaschus

Baß
Dr. Helmut Bender
Wolfgang Denck
Ernst-Werner Freitag
Gerhard Hesse
Helmut Krull
Herrmann Krull
Erhard Neuhöfer
Fritz Weinberg

Der Chor hatte nach seinem 100 jährigen Bestehen zunehmend mit Nachwuchssorgen zu kämpfen.
Das führte sogar dazu, dass in Kalbe Flugblätter verteilt wurden. Ein solches Blatt ist erhalten geblieben.

Im März 1995 stellte der Chor seine Tätigkeit ein.

 
 
 
 
 
   
  
 

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