Geschichten über Kalbe Milde
 

 



 
Vierzehnte Generation Wilhelm I. v. Alvensleben
Wilhelm I. v. Alvensleben (1779-1838)
Begründer des neuen Hauses Calbe

Mit Wilhelm I. v. Alvensleben (W.237, Kr.VII,1), dem Begründer des „neuen Hauses Calbe“, beginnt die letzte Epoche unserer Darstellung, die den Zeitraum von der französischen Revolution bis zum Zusammenbruch Deutschlands 1945 umfasst. Die Herrschaft Calbe, die am Ende des Mittelalters an Größe einem stattlichen Fürstentum gleichkam, bestand nach der Hardenbergschen Reform nur noch aus einem Restgut von kaum 450 ha.

Im Jahre 1796, nach dem Tode ihres Onkels, des Ministers in London, schritten die Söhne Gebhard Augusts II. v. Alvensleben auf Neugattersleben zur Teilung der Gesamterbmasse. Calbe fiel durch Los mit Plathe und den Kislebenschen Zehnten an den jüngsten Wilhelm, Domherr zu Halberstadt (1779–1838). Er war 1792 in den Johanniterorden aufgenommen worden, studierte bis 1799 in Helmstedt und heiratete 1801 in Leipzig Sophie Günther, Tochter eines sächsischen Hofschauspielers. Sie war selbst in Dresden 1797-1801 als Medea, Kreusa, Rose und Nachtigall in Melodramen aufgetreten.

Sophie v. Alvensleben, geb. Günther
(1785-1847)
In Braunschweig frühverwaist unter Vormundschaft aufgewachsen, lebte Wilhelm dort bis 1806 und tat alljährlich sechs Wochen Dienst als Domherr in Halberstadt, wo ihm eine Kurie zur Verfügung stand. 1806–1817 bewirtschaftete er Calbe, verpachtete es dann und verkaufte 1817 Plathe für 19.500 Thaler. Der Plan, die Burgruine in Calbe wieder zum Wohnsitz auszubauen, wurde aufgegeben, da auf der Burginsel geteilte Eigentumsrechte herrschten und die Besitzer 2000 Thaler Abstand verlangten. Dafür wurde ein Gebäude auf dem ehemals Asseburgschen Vorwerk notdürftig als Wohnhaus hergerichtet, das spätere Lindenhaus an der Ecke Gartenstraße/Stendaler Straße.

Mit einen Lehnstamm von 32.000 Thalern und den Geldern aus Calbe und Plathe erwarb Wilhelm für 127.000 Thaler das sehr viel ertragreichere Rittergut Benkendorf mit Dölitz am Berge bei Halle, das er erfolgreich bewirtschaftete und wo er mit seiner wachsenden Familie auch wohnte.

Zunehmende Gesundheitsprobleme und der Wunsch, am musischen und kulturellen Leben in Leipzig besser teilnehmen zu können, veranlassten ihn, 1831 Benkendorf zunächst zu verpachten, dann aber 1837 an Prof. Bethmann-Hollweg zu verkaufen und das Schlossgut Gohlis bei Leipzig und ein Haus in der Stadt Leipzig selbst, Ecke Petersstraße und Markt, zu erwerben. Dort starb er aber schon am 27.1.1838 und wurde im Schlossgarten beigesetzt. Seine geistreiche und allseits verehrte Frau lebte noch bis 1847. Beide wurden 1884 – zusammen mit zwei früh verstorbenen Töchtern – auf den Familienfriedhof in Kalbe überführt.

Benkendorf bei Halle

Auf der Universität Helmstedt, auch später in Braunschweig und Halberstadt, „hielt sich Wilhelm neben wertvollen Reit- und Wagenpferden eine zahlreiche Dienerschaft, unter der weder Postillon noch Mohr fehlten. Alle Bedienstete müssten ein Instrument spielen können, sodass er im Bedarfsfall eine Musikkapelle bei sich hatte. Erst der Einfluss seiner Gattin bedingte eine wirtschaftlichere Lebensführung in Calbe und Benkendorf. Der Entschluss der Hausfrau, ihren Edelsteinschmuck in bare Münze zu verwandeln, half 1816 nach den Drangsalen der Kriege die leer gewordenen Ställe mit 81 Jütländer Kühen zu füllen“.

Der Leichtsinn im Wesen Wilhelms verwandelte sich später in Strenge. Er hinterließ zwar ein stattliches Vermögen, das sich jedoch auf neun ihn überlebende Kinder aufteilte, so dass die Herrschaft Calbe nur noch mit stark verminderter Substanz in die nächste Generation überging. Das Gebäude der Herrschaft Calbe stürzte unter dem Anstoß der Stein–Hardenbergschen Reformen wie ein Kartenhaus zusammen. Das Untertanenverhältnis der umliegenden Dörfer, das seit dem 14. Jahrhundert bestanden hatte, und deren Abgaben wurden mit Geld abgelöst, so dass von der alten Burgward Calbe das Rittergut Calbe I allein übrig blieb.

Unter dem Domherren Wilhelm erlebte das Land die Unglücksfälle der napoleonischen Kriege, die Bedrückungen und zeitweilig Verarmung zur Folge hatte. Die Altmark wurde, durch den Tilsiter Friedensvertrag von Preußen getrennt, Bestandteil des Elbe-Departments des Königreichs Westfalen. In dieser Zeit führte Wilhelm den Landsturm im Werder. Der französische General Davoust ließ ihn verhaften und in Salzwedel einsperren.
Schloss Gohlis in Leipzig
Wie wenig man sich mit der Fremdherrschaft abfand, beweist das Verhalten der Alvensleben auf Zichtau, Berge, Vienau und Redekin, von denen vier als Offiziere am Aufstand des Majors Schill beteiligt waren und einer bei der Verteidigung von Stralsund 1809 den Tod fand"1" . Der Landrat Johann Friedrich VII. v. Alvensleben und sein Sohn Johann Friedrich X. begründete, mit Anderen gemeinschaftlich das Magdeburgische Elbhusarenregiment Nr. 10. Die Freiheitskriege brachten die Wiedervereinigung mit Preußen. Als Teil des niedersächsischen Stammesgebiets wurde die Altmark von Brandenburg gelöst und beim Wiener Kongress 1815 der Provinz Sachsen zugeteilt.


mit freundlicher Genehmigung, entnommen der Chronik "Die Alvensleben in Kalbe - 1324-1945" von Dr. Udo v. Alvensleben-Wittenmoor verfasst 1920-1960 bearbeitet von Prof. Dr. Reimar v. Alvensleben

"1"
Reimar v. Alvensleben: Der Aufstand von Major Schill und die Altmark. Altmark-Blätter. Heimatbeilage der Altmarkzeitung, 20. Jahrgang Nr. 42 und 43 vom 17. und 24.10. 2009, S. 465 ff.

   
  
 

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